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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Es gibt noch mehrere solcher litterarischen Ungetüme, die hier aufzuführen der Raum nicht erlaubt. Sie alle haben mir von jeher viel Spaß gemacht, und ich kam mir oft vor, wie der Polichinello[1] des italienischen Lustspiels; ich war bei diesen Leuten eine stehende Figur, die, wenn auch etwas anders aufgeputzt, doch immer wieder die Hörner herausstreckte, und unter welche man zu besserer Kenntnis ein Ecce homo, sehet, das ist der Teufel, schrieb.

Doch auch dem Teufel muß man Gerechtigkeit widerfahren lassen, sagt ein Sprichwort, folglich muß der Teufel zur Revanche auch wieder gerecht sein. „Ein jeder gibt, wie er’s kann“, fuhr ich in der Dissertation fort, „und wie sich in jenen Poeten das moralische Verderben bei jedem wieder in andern Reflexen abspiegelte, so gaben sie auch ihre Teufel. Daher kommt es, daß Herr Urian bei Klopstock[2] wieder bei weitem anders aussieht.

„Jener Abbadonna ist ein gefallener Engel, dem das höllische Feuer die Flügel versengte, der sich aber auch jetzt noch nobel und würdig ausnehmen soll. Aber leider ist dieser Zweck doch ein wenig verfehlt, mir wenigstens kömmt dieser Klopstockische Gottseibeiuns vor, wie ein Elegant, der wegen Unarten aus den Salons verwiesen, sich in den Tabagien und spießbürgerlichen Klubs nicht recht zu finden weiß und darum unanständig jammert.“

So ungefähr sprach ich mich in jener gelehrten Dissertation aus, und ich gebe noch heute zu, daß die Auffassung wie jeder Idee, so auch der des Teufels sich nach den individuellen Ansichten des Dichters über das Böse richten muß; dies alles aber entschuldiget keineswegs jenen berühmten Mann, der, kraft seines umfassenden Genies, nicht den engen Grenzen seines Vaterlandes oder der Spanne Zeit, in welcher er lebt, sondern der Erde und künftigen Jahrhunderten angehören könnte, es entschuldigt ihn nicht darin, daß er einen so schlechten Teufel zur Welt gebracht hat.

Der Goethische Mephistophiles ist eigentlich nichts anders, als jener gehörnte und geschwänzte Popanz des Volkes. [297] Den Schweif hat er aufgerollt und in die Hosen gesteckt, für die Bocksfüße hat er elegante Stiefel angezogen, die Hörner hat er unter dem Barett verborgen – siehe da den Teufel des großen Dichters! Man wird mir einwenden: „Das gerade ist ja die große Kunst des Mannes, daß er tausend Fäden zu spinnen weiß, durch die er seine kühnen Gedanken, seine hohen überschwenglichen Ideen an das Volksleben, an die Volkspoesie knüpft.“ – „Halt Freund! ist es eines Mannes, der, wie sie sagen, so hoch über seinem Gegenstand steht und sich nie von ihm beherrschen läßt, ist es eines solchen Dichters würdig, daß er sich in diese Fesseln der Popularität schmiegt; sollte nicht der königliche Adler dieses Volk bei seinem populären Schopf fassen und mit sich in seine Sonnenhöhe tragen?“

„Verzeihe, Wertester“, erhalte ich zur Antwort, „du vergissest, daß unter diesem Volke mancher eine Perücke trägt; würde ein solcher nicht in Gefahr sein, daß ihm der Zopf breche und er aus halber Höhe wieder zur Erde stürzte? Siehe! der Meister hat dies besser bedacht; er hat aus jenen tausend Fäden, von welchen ich dir sagte, eine Strickleiter geflochten, auf welcher seine Jünger säuberlich und ohne Gefahr zu ihm hinaufklimmen. Der Meister aber setzet sie zu sich in seine Arche, gleich Noah schwebt er mit ihnen über der Sündflut jetziger Zeit und schaut ruhig wie ein Gott in den Regen hinaus, der aus den Federn der kleinen Poeten strömt.“

„Ein wässeriges Bild!“ entgegne ich, „und zugleich eine Sottise; befand sich denn in jener Arche nicht mehr Vieh als Menschen? Und will der Meister warten, bis die Flut sich verlaufe und dann seine Stierlein und Eselein, seine Pfauen und Kamele Paar und Paar auf die Erde spazieren lassen?

Will er vielleicht wie jener Patriarch die Erfindung des Weines sich zuschreiben, sich ein Patent darüber ausstellen lassen und über seine Schenke schreiben: ‚Hier allein ist Echter zu haben‘, wie Maria Farina[3] auf sein Kölnisches Wasser, so für alle Schäden gut ist?“


  1. Eine komische Charaktermaske, der Hanswurst.
  2. Friedr. Gottlieb Klopstock (1724–1803) läßt in seinem religiösen Epos „Messias“ einen Satan auftreten.
  3. Joh. Maria Farina, 1685 in Italien geboren, kam als Parfümhändler nach Köln und soll daselbst 1709 die Bereitung des Kölnischen Wassers erfunden haben.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 296–297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_149.jpg&oldid=- (Version vom 30.6.2016)