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Man wird bei Durchlesung dieser Mitteilungen aus meinen Memoiren vielleicht nicht jenes systematische, ruhige Fortschreiten der Rede finden, das den Werken tiefdenkender Geister so eigen zu sein pflegt. Man wird kürzere und längere Bruchstücke aus meinem Walten und Treiben auf der Erde finden und den innern Zusammenhang vermissen.

Man tadle mich nicht deswegen; es war ja meine Absicht nicht, ein Gemälde dieser Zeit zu entwerfen, man trifft deren genug in allen soliden Buchhandlungen Deutschlands.

Der Memoirenschreiber hat seinen Zweck erreicht, wenn er sich und seine Stellung zu der Zeit, welcher er angehört, darstellt und darüber reflektiert, wenn er Begebenheiten entwickelt, die entweder auf ihn oder die Mitwelt nähere oder entferntere Beziehungen haben, wenn er berühmte Zeitgenossen und seine Verhältnisse zu ihnen dem Auge vorführt. Und diese Forderungen glaube ich in meinen Memoiren erfüllt zu haben, sie sind es wenigstens, die mich bei meiner Arbeit leiteten, die meine Kühnheit vor mir rechtfertigen, vor einem gelehrten Publikum als Schriftsteller aufzutreten.[AU 1]

Über Persönlichkeit, über berühmte Abstammung oder glänzende Verhältnisse hat der Teufel nichts zu sagen. Was etwa darüber zu sagen sein könnte, habe ich in dem Abschnitt „Besuch bei Goethe“ ausgesprochen und verweise daher den Leser dahin.

Fleißige Leser, d. i. solche, die Bogen für Bogen in einer Viertelstunde durchfliegen, mögen daher doch diesen Abschnitt nicht überschlagen, da er sehr zu besserem Verständnis der übrigen eingerichtet ist; sittsamen und ordentlichen Lesern habe ich hierüber nichts zu sagen, als sie sollen das Buch weglegen, wenn sie sich langweilen.

*

Ehe sein Diener mit dem zweiten Bogen aus der Messe zurückkommt, hat der Unterzeichnete noch Zeit, einige Bemerkungen einzuflicken. Es scheint ihm nämlich, der Satan besitze eine ziemliche [217] Dosis Eitelkeit; man bemerke nur, wie wichtig er von jenem Abschnitt spricht, worin er über sich einige Bemerkungen macht; es wäre genug gewesen, wenn er nur angedeutet hätte, daß dies oder jenes darin zu finden sei, aber dem Leser zu empfehlen, er möchte doch den Abschnitt, in welchem jene enthalten sind, nicht überschlagen, ist sehr anmaßend.

Sodann die Unordnung, in welcher er alles vorbringt! Ein anderer, wie z. B. der Herausgeber hätte doch, wenn auch nicht mit dem Taufschein, was nun freilich beim Teufel nicht wohl möglich ist, doch wenigstens mit der Begebenheit angefangen, die der Chronologie nach die erste ist. Ich habe das Manuskript flüchtig durchblättert (zu lesen, ehe jeder Bogen hinlänglich geweiht, nehme ich mich wohl in acht) und fand, daß er mit Ereignissen anfängt, die der ganz neuen Zeit angehören, und nachher im bunten Gemische Menschen und ihre Thaten von zehn, zwanzig Jahren her auftreten läßt; man sieht wohl, daß er keine gute Schule gehabt haben muß.

Zu größerer Deutlichkeit, und daß der geneigte Leser trotz dem Teufel wählen kann, was er will, habe ich den Inhalt jedem einzelnen Kapitel vorangesetzt.

Der Herausgeber.





Sechstes Kapitel.
Wie der Satan die Universität bezieht, und welche Bekanntschaften er dort machte.

Deutschland hat mir von jeher besonders wohl gefallen, und ich gestehe es, es liegt diesem Geständnis ein kleiner Egoismus zu Grunde; man glaubt nämlich dort an mich wie an das Evangelium; jenen kühnen philosophischen Waghälsen, die auf die Gefahr hin, daß ich sie zu mir nehme, meine Existenz geleugnet und mich zu einem lächerlichen Phantom gemacht haben, ist es noch nicht gelungen, den glücklichen Kindersinn dieses Volkes zu zerstören, in dessen ungetrübter Phantasie ich noch immer schwarz wie ein Mohr, mit Hörnern und Klauen, mit Bocksfüßen und Schweif fortlebe, wie ihre Ahnen mich gekannt haben.

  1. Was der Satan hier ernsthaft und gelehrt spricht, er geberdet sich beinahe wie ein junger Kandidat der Theologie, der seine erste Predigt drucken läßt!
    Anm. d. Herausgebers.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 216–217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_110.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)