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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Klavier gesessen, ging mir nach und sagte, indem er wehmütig meine Hand ergriff: „Herzensbruder, mit deiner Liebe ist es rein aus auf immerdar, schlage dir nur gleich alle Gedanken aus dem Sinne.“

„Soviel ungefähr konnte ich selbst merken“, antwortete ich; „der Teufel hole alle schönen Augen, jeden rosigen Mund und den thörichten Glauben an das, was Blicke sagen, was Mädchenlippen ausprechen.“

„Tobe nicht so arg, sie hören es oben“, flüsterte er; „aber sag’ mir um Gotteswillen, ist es denn wahr, daß du heute die ganze Nacht im Weinkeller gelegen und getrunken hast?“

„Nun ja und wen kümmert es denn?“

„Weiß der Himmel, wie sie es gleich erfahren hat, sie hat den ganzen Morgen geweint und nachher gesagt, vor einem solchen Trunkenbold, der ganze Nächte beim Wein sitze und aus schnöder Trinklust ganz allein trinke, solle sie Gott behüten; du seist ein ganz gemeiner Mensch, von dem sie nichts mehr hören wolle.“

„So?“ erwiderte ich ganz gelassen und hatte einiges Mitleiden mit mir selbst. „Nun gut, geliebt hat sie mich nie, sonst würde sie auch mich darüber hören; ich lasse sie schön grüßen. Lebe wohl.“

Ich rannte nach Hause und packte schnell zusammen und fuhr noch denselben Abend von dannen. Als ich an der Rolandsäule vorüberkam, grüßte ich den alten Recken recht freundlich und zum Entsetzen meines Postillons nickte er mir mit dem steinernen Haupt einen Abschiedsgruß. Dem alten Rathaus und seinen Kellerhallen warf ich noch einen Kuß zu, drückte mich dann in die Ecke meines Wagens und ließ die Phantasien dieser Nacht noch einmal vor meinem Auge vorübergleiten.



[59]

Märchen-Almanach
auf
das Jahr 1826.

Die Karawane.
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 58–59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_031.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)