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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Halbeimerfaß herbei an den Tisch und lud den Ritter ein, Platz zu nehmen. Es knackten nur ein paar Dauben, als er sich setzte, aber das Faß hielt aus. Dann bot ihm der Kellermeister ein großes Römerglas mit Wein, er faßte es mit der breiten, steinernen Faust, aber krach! war es entzwei, daß ihm der Wein über die Finger lief. „Ei, Ihr hättet auch die Handschuh’ von Stein füglich ablegen können“, sprach Balthasar ärgerlich und kredenzte ihm einen silbernen Becher, so ein Maß hielt und in früherer Zeit Tummler genannt wurde. Der Ritter faßte ihn, drückte nur einige unbedenkliche Buckeln in den Becher, sperrte das steinerne Maul auf und goß den Wein hinab.

„Wie mundet Euch der Wein?“ fragte Bacchus den Gast; „Ihr habt wohl lange keinen getrunken?“

„Er ist gut, bei meinem Schwert! sehr gut! Was ist es für Gewächs?“

„Roter Engelheimer, gestrenger Herr!“ antwortete der Kellermeister.

Das steinerne Auge des Ritters bekam Leben und Glanz, als er dies hörte, die gemeißelten Züge verschönerte ein sanftes Lächeln, und vergnüglich schaute er in den Becher.

Engelheim! du süßer, trauter Name!“ sprach er. „Du edle Burg meines ritterlichen Kaisers; so nennt man also noch in dieser Zeit deinen Namen, und die Reben blühen noch, die Karl einst pflanzte in seinem Engelheim? Weiß man denn auch von Roland noch etwas auf der Welt und von dem großen Karolus, seinem Meister?“

„Das müßt Ihr den Menschen dort fragen“, erwiderte Judas, „wir geben uns mit der Erde nicht mehr ab. Er nennt sich Doktor und Magister und muß Euch Bescheid geben können über sein Geschlecht.“

Der Riese richtete sein Auge fragend auf mich, und ich antwortete: „Edler Paladin! Zwar ist die Menschheit in dieser Zeit lau und schlecht geworden, ist mit dem hohlen Schädel an die Gegenwart genagelt und blickt nicht vor-, nicht rückwärts, aber so elend sind wir doch nicht geworden, daß wir nicht der großen, herrlichen Gestalten gedächten, die einst über unsere Vatererde [47] gingen und ihren Schatten werfen noch bis zu uns. Noch gibt es Herzen, die sich hinüberretten in die Vergangenheit, wenn die Gegenwart zu schal und trübe wird, die höher schlagen bei dem Klang großer Namen und mit Achtung durch die Ruinen wandlen, wo einst der große Kaiser saß in seiner Zelle, wo seine Ritter um ihn standen, wo Eginhard[1] bedeutungsvolle Worte sprach und die traute Emma dem treusten seiner Paladine den Becher kredenzte. Wo man den Namen Eures großen Kaisers ausspricht, da ist auch Roland unvergessen, und wie Ihr ihm nahe standet im Leben, so enge seid Ihr mit ihm verbunden in Lied und Sage und in den Bildern der Erinnerung. Der letzte Ton Eures Hifthorns tönt noch immer aus dem Thal von Ronceval durch die Erde und wird tönen, bis er sich in die Klänge der letzten Posaune mischt.“

„So haben wir nicht vergebens gelebt, alter Karl“, sprach der Ritter, „die Nachwelt feiert unsere Namen.“

„Ha!“ rief Johannes feurigen Mutes, „diese Menschen wären auch wert, Wasser aus dem Rhein zu saufen statt des Rebenblutes seiner Hügel, wenn sie den Namen des Mannes vergessen hätten, der zuerst die Reben pflanzte im Rheingau. Auf, ihr trauten Gesellen und Apostel, stoßet an, unser herrlicher Stammvater lebe, es lebe Kaiser Karl der Große!

Die Römer klangen, aber Bacchus sprach: „Ja, es war eine schöne, herrliche Zeit, und ich freue mich ihrer wie vor tausend Jahren. Wo jetzt die wundervollen Weingärten stehen vom Ufer bis hinauf an die Rücken der Berge und hinauf und hinab im Rheinthal Traube an Traube sich schlingt, da lag sonst wüster, düsterer Wald. Da schaute einst Kaiser Karl aus seiner Burg in Engelheim an den Bergen hin, er sah, wie die Sonne schon im März so warm diesen Hügel begieße und den Schnee hinabrolle in den Rhein, wie so frühe die Bäume dort sich belauben und das junge Gras dem Frühling voraneile aus der Erde. Da erwachte in ihm der Gedanke, Wein zu pflanzen, wo sonst der Wald lag.


  1. Eginhard, richtiger Einhard (770–840), der berühmte Geschichtschreiber und Biograph Karls des Großen. Seine Gemahlin Imma liebte er innig, doch war sie nicht, wie die Sage berichtet, eine Tochter Karls.
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 46–47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_025.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)