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um den Kopf zog; der Hut war mit einer Goldtresse besetzt, auf der Stirnseite war er mit dem goldenen Bild des heiligen Petrus geschmückt, aus welchem zwei ungeheure rote Hahnenfedern hervorragten. Dieser Mann mußte weit in der Welt herumgekommen sein, denn er konnte auf französisch, italienisch, ungarisch fluchen, seinen Bart aber trug er ungarisch, er hatte ihn nämlich mit Pech so zusammengedreht, daß er wie zwei eiserne Stacheln auf beiden Seiten der Nase eine Spanne in die Luft hinausstarrte.

„Canto cacramento!“[1] rief dieser große Mann mit einem dröhnenden Baß, „der kleine Wenzel ist mein; drauf! ich stech’ ihn mit dem Eichel-König.“

„Mein ist er, mit Verlaub“, rief sein Nebenmann, „und der König dazu; da liegt die Eichel-Sau!“

„Mord de ma Vich, zagt der Franzoz; Hauptmann Löffler, Ihr wollt Eurem Oberst diesen Stich abjagen? Schämt Euch, schämt Euch; daz ist ein Rebeller, der daz thut; Gott straf’ mein’ Zeel’, Ihr wollt mich vom Regiment absetzen?“ Der große Mann funkelte zu diesen Worten gräßlich mit den Augen, schob seinen großen Hut auf das Ohr, daß seine überhängenden Augenbrau’n und eine mächtige rote Narbe auf der Stirne sichtbar wurden, die ihm ein ungemein kriegerisches Ansehen gaben.

„Beim Spiel, Herr Oberst Peter, gilt keine Kriegsordnung“, antwortete der andere Spieler. „Ihr könnet uns Hauptleuten befehlen, ein Städtchen zu blockieren und zu brandschatzen, aber beim Spiel ist jeder Landsknecht so gut wie wir.“

„Ihr zeid ein Meuter, ein Rebeller gegen die Obrigkeit, Gott straf’ mein’ Zeel’, und wäre es nicht gegen meine Würde, ich wollt’ Euch in Kochstücke mazakerieren; aber spielt weiter.“

„Da liegt ein Daus“ – „drauf der Quater“ – „den stech’ ich mit dem Zinken“ – „Schellen-Wenzel, wer sticht den? –“

„Ich“, sprach der Große, „da liegt der Schellen-König, Mordblei! der Stich ist mein.“

„Wie bringst du den Schellen-König ’rauf?“ rief ein kleines, [305] dürres Männchen mit spitzigem Gesicht und kleinen, giftigen Äuglein und heiserer Stimme, „hab’ ich nicht gesehen, als du ausgabst, daß er unten liegt? Er hat betrogen, der lange Peter hat schändlich betrogen.“

„Muckerle, Hauptmann vom achten Fähnlein! ich rat’ Euch, haltet Euer Maul“, sagte der Oberst, „Bassa manelka[2], ich versteh’ keinen Spaß; die Mauz zoll den Löwen nicht erzürnen.“

„Und ich sag’s noch einmal; wo hättest du sonst den König her? Vor dem Papst und dem König von Frankreich will ich’s beweisen, du falscher Spieler!“

„Muckerle“, erwiderte der Oberst und zog kaltblütig seinen Degen aus der Scheide, „bete noch ein Ave Maria und ein Gratias, denn ich schlage dich tot, zo wie daz Spiel auz ist.“

Die übrigen drei Männer wurden durch diese Streitigkeiten aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Sie erklärten sich für den kleinen Hauptmann und gaben nicht undeutlich zu verstehen, daß man dem Obersten wohl dergleichen zutrauen könnte; dieser aber vermaß sich hoch und teuer, er habe nicht betrogen. „Wenn der heilige Petruz, mein gnädiger Herr Patron, den ich auf dem Hut trage, sprechen könnte, der würde mir, zo wahr er ein christlicher Landsknecht war, bezeugen, daß ich nicht betrogen!“

„Er hat nicht betrogen“, sagte eine tiefe Stimme, die aus dem Baum zu kommen schien. Die Männer erschraken und schlugen Kreuze wie vor einem bösen Spuk, selbst der tapfere Oberst erbleichte und ließ die Karte fallen, aber hinter dem Baum hervor trat ein Bauersmann, der mit einem Dolch bewaffnet war und eine Zither an einem ledernen Riemen auf der Schulter hängen hatte. Er sah die Männer mit unerschrockenen Blicken an und sagte: „Es ist, wie ich sagte, dieser Herr da hat nicht betrogen, er bekam schon beim Ausgeben Schellen- und Eichel-König, Fünfe und Vier von Laub und den Schippen-Unter in die Hand.“

„Ha! du bist ein wackerer Kerl“, rief der Oberst vergnügt, „zo wahr ich ein ehrlicher Landsknecht – will zagen Oberst bin, ez ist all’ wahr, waz du gezagt hast.“


  1. D. h. Heiliges Sakrament!
  2. Ein äußerst derber Fluch (entstelltes Ungarisch).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 304–305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_175.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)