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wie vom Schlage gerührt. In den Hallen des Saales ruhten aber auf weichen Polstern: Herren und Damen, beim Bankett vom Schlafe überrascht, die Becher noch in Händen, mit gesenkten Häuptern.

Kurz, alle lebenden Wesen des Schlosses, von den Helden des Saales an bis zu der Fliege an der Wand, waren behext und vom Zauber berückt und schlafen würden sie vielleicht noch heute, wenn sich nicht einst ein jugendlicher Ritter mit dem Schwerte Bahn durch die Disteln und Dornen geschlagen hätte und keck hinein in den verwünschten Raum gedrungen wäre.

Er sah sich verwundert um und er begriff, daß dieser Zauber nur auf ganz eigenthümliche Weise gelöst werden könne. Wochen lang hätte er die Herren und die Diener rütteln und schütteln können: sie würden doch nicht wach geworden sein. Er schritt daher die Wendeltreppe des Thurmes hinauf und als er hoch oben in ein kleines Gemach trat, da fand er auf weiche Kissen hingegossen: die schönste Jungfrau. Die Locken ruhten neben dem lieblichen Köpfchen und die Lippen leuchteten in rosiger Frische.

Entzückt war der Ritter und lange schwelgte er in dem seligen Anblick. Als er sich aber genug erquickt hatte, da bog er sich hinab und es verstand sich von selbst, daß er die Schöne mitten auf ihren rothen Mund küßte – da war der Zauber gelöst!

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Georg Weerth: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Tübingen 1849, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weerth_Schnapphahnski_205.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)