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vorhin auf den marmornen Zügen des Antinous zu gewahren wähnte! Und wie vorhin die weiße Statue im dämmernden Raume, so wächst jetzt vor ihr die Gestalt des lebenden Jünglings zu etwas Überwältigendem empor, etwas Furchtbarem, Drohendem, etwas, das sie von allen Seiten verfolgt, vor dem es kein Entrinnen gibt: das Symbol eines unfaßlich grauenhaften Verhängnisses, das einst jenen anderen und mit ihm sie selbst vernichtet hat.

Schrill tönt da durch die Stille ein langgedehntes Pfeifen vom Meere her. Der Dampfer ruft zur Abfahrt. Und in plötzlicher Zerschlagenheit aller Glieder verläßt die Reisende das unselige Haus, watet dann mühsam mit zitternden Knien den wohlbekannten sandigen Pfad zurück zu den harrenden Ruderern am Strande.

Oftmals schon ist sie auf diesem Weg gekommen und wieder gegangen. Seit langen Zeiten ja fährt sie so an dieser Küste entlang – alljährlich einmal – zweimal – allemal, da Sehnsucht und Trauer um jenes verlorene Leben ihr daheim keine Ruhe lassen. Wird wohl noch manchesmal wiederkehren – wissend doch, daß sie nicht ihm, nicht sich je kann Erlösung bringen.

Am Abend, als aus endlosen Höhen des südlichen Kreuzes schwacher Schimmer herniederglänzt, und das Schilf in schwüler Dunkelheit weiter durch die stillen

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/163&oldid=- (Version vom 31.7.2018)