Mit leiser, noch bebender Stimme, als fürchte sie schlimme Geister von neuem zu rufen, wendet die Frau sich nun mit einer Frage zu dem Knaben. Er antwortet und hat dabei ein geringschätziges Achselzucken.
Eindringlicher flüstert sie darauf: »Ist es heute denn wirklich wahr, daß er fortgeritten?«
»Aber ja doch,« erwiderte der Knabe, mit kaum verhehlter Ungeduld, »sobald der Rauch des Dampfers weit draußen auf dem Meere sichtbar wurde, ließ er schon satteln, und vorhin ist er dann fort. Vielleicht kann ihn die Señorita sogar noch sehen.« Er beugt sich aus dem Fenster, das der Landseite zugekehrt ist, und ruft: »Richtig! Dort drüben, da ist er!«
Und wirklich gewahrt nun auch die Fremde, draußen auf der schier endlosen weißen Sandebene, einen der fernen blauen Gebirgskette zueilenden Reiter.
Doch der reitet nicht, der jagt davon, mit verhängten Zügeln und weit vorgebeugtem Kopfe, jagt, wie nur solche jagen, denen die Verzweiflung im Nacken hockt und die Verachtung mit ihren erbarmungslosen Peitschenhieben johlend folgt – denen nichts mehr bleibt, als an den, ehernen Felsen gleichenden Gesetzen zu zerschellen, gegen die sie sich mißachtend aufzulehnen trachteten.
»So treibt er es meist an den Tagen, wo die Dampfer hier anlegen,« sagt der junge Indianer mißbilligend.
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)