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dann, indem sie die hohen Türen einer großen Halle öffnete.

Es war ein weiter, dämmeriger Raum. Die Decke, mit Drachen verziert und von Querbalken durchzogen, auf mächtigen roten Säulen ruhend. Die Wände bemalt mit phantastischen Gebilden, spukhaft im Zwielicht, altersgebleicht, die Umrisse verschwimmend. Davor, und aus erhöhter Estrade weit in den Saal springend, alles überragend und jetzt, durch die geöffnete Tür, allein von Sonnenlicht überflutet: eine ungeheuerliche Gestalt! – Ein meergrün bemalter chinesischer Krieger in Helm und Rüstung. Rollend die Augen, breitaufgerissen das Maul. Tiefe Furchen im verzerrten Antlitz. In der einen erhobenen Hand ein langes Schwert. Weitausholend zückte er es gegen eine riesige Fledermaus, die, von der Wand in hohem Relief abstehend, auf ihn zuzufliegen schien. Lang verhaltener Schmerz und Grimm, die sich endlich gegen einen Tiefgehaßten austoben dürfen – das der Ausdruck der ganzen Gestalt!

»Man glaubt ihn vor böser Freude über sein Vernichtungswerk brüllen zu hören,« sagte die Fremde und setzte dann hinzu: »Auf meinen Reisen habe ich manch seltsame Behausung gesehen, in der es weißen Menschen gelungen war, sich heimisch einzurichten, aber ein absonderlicheres Gemach als dieses besitzt wohl keine europäische Frau.«

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/115&oldid=- (Version vom 31.7.2018)