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schnelles Erlahmen. Aber nicht zu jenen Frauen gehörend, die es vermögen, sich, einer Mutter gleich, mit Erbarmen über einen Schwächeren zu neigen und ihn zu lieben, wie er eben ist, hatte sie den König stets weiter getrieben und angestachelt. Auf daß ihre Kräfte ausreichten, wo seine versagten, hatte sie in sich selbst hartes Wollen und zähes Ausharren groß gezogen. So hatte hinter all seinen Handlungen stets ihr reger Wille gestanden. - Doch nun in dieser schicksalsschweren Stunde mußte sie es erleben, daß er sich nicht auf ihre Kraft stützte, daß nicht ihr Rat entschied, sondern daß das einer Vision gleich in ihm aufsteigende Bild einer anderen den Ausschlag gab! Sein Entscheid entsprach zwar ihrem eigenen leidenschaftlich geäußerten Wunsche, aber die Frage selbst dünkte sie jetzt plötzlich gleichgültig neben der Kränkung, die Erreichung ihres Zieles dem Zauber dieser Tropentochter zu verdanken. Sie bedauerte nun beinah, daß sie, statt zum Verweilen, nicht zum Entweichen geraten hatte, um erproben zu können, ob ihr Einfluß entscheiden oder die lockende Nähe der andern siegen solle.

Mühsam ihre widerstreitenden Gefühle verbergend, senkte die Königin das Haupt, während der König sich niederbeugte und seine Lippen ihr goldenes Haar zum Abschied berührten.

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/099&oldid=- (Version vom 31.7.2018)