die die Frauen daheim erzählen, wenn die Mangobäume blühen. Von dem Häuptling Tuspa handelt sie, der beutelüstern den Kriegspfad zu beschreiten dachte. Tuspa bemalte sein Antlitz, daß sein Anblick Schrecken in jedes Feindes Brust erregen mußte, hing den bunten Federmantel um und nahm den starken Bogen mit den weit schwirrenden Pfeilen. Aber Malintzin, sein Weib, sah es mit Kummer und beschwor ihn weinend, bei ihr zu bleiben, denn ein Traum hatte ihr verkündet, daß Tuspa aus diesem Kampfe nimmer heimkehren würde. Er aber stieß sie zurück, denn sein Sinn war nur auf Raub und Ruhm gerichtet, und er achtete nicht der Frauen ängstliche Warnung. So stürmte er in den Wald, wo die Mangobäume blühten. Doch Malintzin eilte ihm nach, schlang plötzlich die Arme um seinen Hals und küßte ihn. Und dann sprach sie jubelnd, trotz ihrer Tränen: ›Tuspa, mein Herr, nunmehr magst du zum Kampfe ziehen; ehe noch fremder Pfeil dich erreicht, werde ich, die ich ohne dich nicht zu leben vermöchte, schon deiner harren im Reiche der Todesgöttin - denn uralter Priesterspruch kündet, daß, wenn zwei Liebende unter blühenden Mangobäumen weilen, der den andern zuerst küßt, auch vor ihm in den Tod gehen wird. Und ich habe dich unter den blühenden Mangobäumen zuerst geküßt, Tuspa, mein Herr!‹
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/088&oldid=- (Version vom 31.7.2018)