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gleich blaßlila Schatten lagen Klematis an die Bergwände geschmiegt. Unter diesem Gewebe tropischer Ranken mit ihren vielfarbigen leuchtenden Blumen verschwanden die zackigen Spitzen und unheimlichen Klüfte, gleich furchtbarer Wahrheit hinter einem Netze süß betörender Lügen.

Von der Höhe des Altans schaute die Königin hinab in die Schlucht. Und weiter schweifte ihr Blick über das helle Grün wogender Zuckerrohrfelder tief unten in der Ebene und verlor sich im bläulichen Dunste, der den fernen Ozean verbarg. Das überreiche Naturleben um sie her, dies gedankenlose Keimen und Wuchern, wo immer nur sich ein Fleckchen Erde fand, um Wurzel zu fassen, diese Blüten, die aus totem Geäst noch Nahrung sogen oder an langen Fäden in der schwülen Luft hingen das alles empfand die Königin als ihrem Wesen heute ganz besonders fremd, und sie wehrte sich dagegen wie gegen etwas Feindliches, nicht wollend, daß der gefährliche Zauber dieser daseinstrunkenen Welt, der in tausend süßen Düften schmeichelnd zu ihr aufstieg, ihren Sinn betöre. Sie floh davor in das kühle Reich der eigenen Erwägungen. Absichtlich die Augen gegen die innerste Natur des Landes verschließend, sann sie grübelnd nach, wie des Königs Macht wohl zu befestigen wäre, auf daß sie beide ihre Bestimmung erfüllen

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Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/085&oldid=- (Version vom 31.7.2018)