nicht mehr nach Menschenopfern schreien durfte, johlte es heute nach dem Phantom der Freiheit.
Nun waren die Knaben auf dem Platze angelangt. Noch dichter war hier das Menschengewühl als in den Straßen.
»Dort neben die kleine leere Bude wollen wir dich hinziehen,« sagten die Vettern, »wir wollen uns alles ansehen, nachher holen wir dich ab.«
Schon waren sie verschwunden – wie Tropfen von der großen Menschenwelle aufgesogen. Paquito in seinem Kistchen war allein inmitten der Tausende und Tausende fremder Menschen.
Von da unten, wo er saß, sah er die bunten Röcke der Frauen und die langen, schweren Sporen an den Stiefeln der Männer. Das war eigentlich alles, was er von dem Feste erblickte, das und die eine Wand der kleinen Bude, in der tagsüber billiges Tonspielzeug feilgeboten worden, die aber nun in der Nacht, wo niemand mehr an Kaufen dachte, geräumt war. Jedesmal, wenn Menschenmassen vorwärts drängten, schwankte das mit Leinwand bespannte leichte Lattengerüst und beugte sich zur Seite, auf Paquito nieder.
»Ist das alles?« frug er sich. »Wo mag die Glocke sein und die Fahne? Und die vielen Lichtchen, die wie Sterne glänzen? Und wo, wo ist denn nur die Freiheit?«
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/075&oldid=- (Version vom 31.7.2018)