Wieder schwieg der Schlangenbeschwörer, doch der Fakir redete zu ihm: »Warum willst du es nicht erzählen? Hast du es nicht auf den Lippen, hast du es doch im Sinn – du lebst ja nur noch durch das Denken daran.«
Da richtete sich der Alte in plötzlichem Entschluß empor. Und durch den Garten ging alsobald ein erwartungsvolles Schweigen. Fliegen, Mücken, Eidechsen und Chamäleone horchten auf; die gurrenden Tauben und zirpenden Zikaden verstummten, um zu lauschen; die grünschwarz schillernden Fasane spähten aus dem Dickicht; sogar die fliegenden Füchse, die tagsüber schlafend unter dem Dachgebälk hängen, blinzelten neugierig mit den lichtscheuen Äuglein, und der große graue Affe kletterte auf dem tief herabhängenden Aste noch weiter vor, um nur ja kein Wort von dem zu verlieren, was sich die rätselreichen Menschen zu sagen hatten.
Unverwandt in die Ferne blickend, als schaue er dort noch einmal das Grauenhafte, vor dem seine Augen einst erstarrt, hub der Schlangenbeschwörer an: »Es waren zwei, die sich liebten und nicht lieben durften. Dem Gesetze meines Stammes gemäß sind sie dafür zusammen zu Tode gesteinigt worden. Ich stand dabei und sah sie blutend niedersinken. Ihre zermalmten Glieder hat man dann eingescharrt. Mir aber, den die beiden
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/035&oldid=- (Version vom 31.7.2018)