Akkorde an und sang mit seiner Tenorstimme das Lied: „O zeig’ mir nur eine Behausung, wo der russische Bauer nicht stöhnt.“ Dymow aber seufzte wieder, stützte das Kinn in die Hand und wurde nachdenklich.
In der letzten Zeit benahm sich Olga Iwanowna äußerst unvorsichtig. Jeden Morgen erwachte sie in übelster Laune und mit dem Gedanken, daß sie den Rjabowskij nicht mehr liebe und das alles, Gott sei Dank, zu Ende sei. Nachdem sie aber ihren Morgenkaffe getrunken, sagte sie sich, daß Rjabowskij ihr den Mann genommen habe und daß sie nun ohne Mann und auch ohne Rjabowskij geblieben sei; dann erinnerte sie sich der Erzählungen ihrer Bekannten, daß Rjabowskij für die nächste Ausstellung etwas Erstaunliches, eine Mischung von Landschaft und Genre, im Stile Poljenows vorbereite, worüber alle, die sein Atelier besuchten, ganz entzückt seien; sie sagte sich, daß er es nur unter ihrem Einflusse geschaffen und sich Dank diesem Einflusse überhaupt zum Besten verändert habe. Ihr Einfluß sei so wohltuend und wesentlich, daß er, wenn sie ihn im Stich ließe, zugrunde gehen könnte. Sie erinnerte sich auch, wie er sie das letztemal in einem grauschillernden Röckchen und neuer Krawatte besucht und schmachtend gefragt hatte: „Bin ich nicht hübsch?“ Und er war mit seinen langen Locken und blauen Augen in der Tat sehr hübsch (oder kam es ihr nur so vor) und auch freundlich zu ihr.
Nachdem sie sich aller dieser Dinge erinnert und alles überblickt hatte, zog sich Olga Iwanowna an und fuhr in großer Erregung zu Rjabowskij ins Atelier. Sie traf ihn lustig und über sein in der Tat wunderbares Bild entzückt an; er sprang herum, machte Dummheiten und beantwortete auch die ernsten Fragen mit Scherzen. Olga Iwanowna war auf das Bild
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)