Der zweite September war ein warmer und stiller, doch trüber Tag. Am frühen Morgen zogen über die Wolga leichte Nebel, und nach neun begann es zu tröpfeln. Und man hatte gar keine Hoffnung, daß der Himmel sich aufheitern würde. Rjabowskij sagte beim Morgentee zu Olga Iwanowna, daß die Malerei die undankbarste und langweiligste Kunst sei, daß er selbst gar kein Künstler wäre, daß nur die Narren glaubten, er habe Talent; und plötzlich ergriff er, so mir nichts, dir nichts, ein Messer und zerkratzte seine beste Studie. Nach dem Tee saß er trübsinnig am Fenster und blickte auf die Wolga hinaus. Alles sprach vom nahenden traurigen und trüben Herbst. Es war, als hätte die Natur die üppigen grünen Teppiche der Ufer, die diamantenen Spiegelungen der Strahlen, die durchsichtige blaue Ferne und alles Elegante und Festliche von der Wolga genommen und in ihre Truhen bis zum nächsten Frühling gepackt; die Raben flogen längs der Ufer und neckten die Wolga: „Nackt! Nackt!“ Rjabowskij lauschte ihrem Krächzen und dachte sich, daß sein Talent gänzlich verpufft sei, daß alles in dieser Welt konventionell, relativ und dumm sei und daß er sich an diese Frau nicht hätte binden sollen… Mit einem Worte, er war übelster Laune und fing Grillen.
Olga Iwanowna saß hinter dem Bretterverschlag auf dem Bett, fuhr sich mit den Fingern durch ihre schönen flachsblonden
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/151&oldid=- (Version vom 31.7.2018)