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kamen neue, sie gewöhnte sich aber sehr bald auch an diese, oder sah sich enttäuscht und lechzte wieder nach neuen berühmten Menschen; sie fand sie und suchte von neuem. Wozu?

Gegen fünf Uhr aß sie mit ihrem Manne zu Mittag. Sein einfacher, gesunder Menschenverstand und seine Gutmütigkeit rührten und entzückten sie. Sie sprang jeden Augenblick auf, umschlang seinen Kopf mit den Händen und bedeckte ihn mit Küssen.

„Dymow, du bist ein kluger und edler Mensch,“ sagte sie ihm, „doch du hast einen großen Fehler. Du interessierst dich gar nicht für die Kunst. Du lehnst die Musik und die Malerei ab.“

„Ich verstehe sie nicht,“ antwortete er mild. „Ich habe mich mein Lebenlang mit den Naturwissenschaften und mit der Medizin abgegeben und keine Zeit gehabt, mich für die Künste zu interessieren.“

„Das ist aber schrecklich, Dymow!“

„Warum denn? Deine Bekannten wissen nichts von Naturwissenschaften und Medizin, und du machst ihnen doch keinen Vorwurf daraus. Jeder hat das Seine. Ich habe für die Landschaftsbilder und Opern kein Verständnis, denke mir aber so: wenn die einen klugen Menschen diesen Dingen ihr ganzes Leben widmen, und die anderen klugen Menschen dafür Riesensummen ausgeben, so sind diese Dinge offenbar notwendig. Ich verstehe sie nicht, aber das heißt noch nicht, daß ich sie ablehne.“

„Gib mir dein brave Hand, daß ich sie drücke!“

Nach dem Essen begab sich Olga Iwanowna zu ihren Bekannten, dann ins Theater oder in ein Konzert und kam erst nach Mitternacht heim. Und so ging es Tag für Tag.

Jeden Mittwoch hatte sie eine Abendgesellschaft. Bei diesen

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/139&oldid=- (Version vom 31.7.2018)