Sserjoscha kletterte ihm wieder auf den Schoß und rückte lange hin und her, bis er endlich eine bequeme Lage fand.
„Nein, Papa!“ sagte er, nachdem er seine Zeichnung betrachtet. „Wenn du den Soldaten klein zeichnest, wird man seine Augen nicht sehen können.“
Sollte er dem widersprechen? Der Staatsanwalt hatte aus täglichen Beobachtungen an seinem Sohne die Ueberzeugung gewonnen, daß die Kinder ebenso wie die Wilden ihre eigenen künstlerischen Ansichten und Forderungen haben, die dem Verständnisse der Erwachsenen verschlossen sind. Bei aufmerksamer Beobachtung hätte Sserjoscha unnormal erscheinen können. Er hielt es für möglich und vernünftig, die Menschen höher als die Häuser zu zeichnen und mit dem Stift außer den Gegenständen auch seine eigenen Empfindungen wiederzugeben. So stellte er die Töne eines Orchesters als sphärische Nebelflecke und das Pfeifen – als einen Spiralfaden dar. In seiner Vorstellung standen die Töne in engen Beziehungen zu den Formen und Farben, und so pflegte er das L immer gelb, das M rot, das A schwarz usw. anzumalen.
Sserjoscha gab das Zeichnen auf, rückte noch einmal hin und her, fand eine bequeme Pose und widmete sich dem Barte seines Vaters. Zuerst[WS 1] glättete er ihn sorgfältig, dann zerteilte er ihn und versuchte aus ihm einen Backenbart zu machen.
„Jetzt siehst du dem Iwan Stepanowitsch ähnlich,“ murmelte er: „und gleich wirst du unserm Portier ähnlich sehen. Papa, warum stehen die Portiers vor den Türen? Um die Diebe nicht hereinzulassen?“
Der Staatsanwalt fühlte auf seinem Gesicht Sserjoschas Atem, er berührte mit der Wange jeden Augenblick seine Haare, und es war ihm dabei so warm und weich ums Herz,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: zuerst (kleingeschrieben)
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/072&oldid=- (Version vom 18.8.2016)