mit einer riesengroßen, ellenlangen Zigarette im Munde, in ganze Wolken von Tabakrauch gehüllt vor, und diese Karikatur ließ ihn lächeln; zugleich hatte er aber das ernste, besorgte Gesicht der Gouvernante in ihm Erinnerungen an die längst vergangene, halb vergessene Zeit wachgerufen, wo das Rauchen in der Schule und im Kinderzimmer den Pädagogen und den Eltern ein eigentümliches, nicht ganz verständliches Grauen einflößte. Es war ein richtiges Grauen. Man züchtigte die Kinder erbarmungslos mit Ruten, relegierte sie von den Schulen und verdarb ihnen das ganze Leben, obwohl keiner der Pädagogen und Väter zu sagen wußte, warum eigentlich das Rauchen so verbrecherisch und schädlich sei. Selbst sehr kluge Menschen unterließen es nicht, gegen ein Laster anzukämpfen, das sie im Grunde gar nicht verstanden. Jewgenij Petrowitsch erinnerte sich seines Gymnasiumdirektors, eines sehr gebildeten und gutmütigen alten Herrn, der beim Anblick eines rauchenden Gymnasiasten immer so furchtbar erschrak, daß er erbleichte, sofort eine außerordentliche Sitzung des Lehrerkollegiums einberief und den Schuldigen zur Dimission verurteilte. Das ist wohl ein Gesetz der menschlichen Gemeinschaft: je unverständlicher ein Uebel ist, um so hartnäckiger und roher kämpft man dagegen.
Der Staatsanwalt erinnerte sich auch einiger relegierten Schüler und ihres ferneren Lebenslaufs und mußte sich sagen, daß die Strafe oft viel mehr Böses bewirkt, als das Verbrechen selbst. Der lebendige Organismus hat die Fähigkeit, sich schnell an jede Atmosphäre anzupassen und zu gewöhnen, sonst müßte ja der Mensch jeden Augenblick fühlen, welch unvernünftige Grundlage oft die vernünftigste Tätigkeit hat und wie wenig bewußte Wahrheit und Sicherheit in so verantwortungsvollen und in ihren Resultaten schrecklichen Tätigkeiten
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/064&oldid=- (Version vom 31.7.2018)