beim Mittagessen gab ihm seine strenge Gattin keine Ruhe. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und verfolgte jede seiner Bewegungen.
„Tu dir Salz in die Suppe! Wie hältst du den Löffel?! Schiebe die Salatschüssel zur Seite, sonst schmeißt du sie mit dem Aermel um! Zwinkere nicht mit den Augen!“
Er aber aß mit größter Eile und zuckte unter ihren Blicken zusammen wie ein Kaninchen unter den Blicken einer Riesenschlange. Er aß mit seiner Frau die Fastenspeisen und schielte begehrlich nach unseren Koteletts.
„Sprich das Tischgebet!“ sagte ihm die Frau nach dem Essen. „Bedanke dich beim Bruder!“
Nach dem Essen begab sich die Chlykina ins Schlafzimmer, um etwas auszuruhen. Als sie draußen war, fuhr sich Dokukin in die Haare und begann auf- und abzugehen.
„Was bist du für ein unglücklicher Mensch, mein Bester!“ sagte er, schwer atmend, zu Dossifej. „Ich habe kaum eine Stunde mit ihr gesessen und bin schon ganz kaput; wie bist du erst dran, der du bei ihr Tag und Nacht sein mußt! … Ach! Ein Märtyrer bist du, ein unglücklicher Märtyrer! Ein Kind von Bethlehem, ein von Herodes erschlagenes!“
Dossifej zwinkerte mit den Aeuglein und sagte:
„Sie ist allerdings streng, doch ich muß für sie Tag und Nacht zu Gott beten, – denn ich empfange von ihr nichts als Liebe und Wohltaten.“
„Ein verlorener Mensch!“ sagte Dokukin und winkte mit der Hand. „Einst hat er aber Reden in den Adelsversammlungen geschwungen und eine neue Säemaschine erfunden! Zugrunde gerichtet hat die Hexe den Menschen! Du lieber Gott!“
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. München: Musarion, 1920, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/059&oldid=- (Version vom 31.7.2018)