Lesen und Klavierübungen auf, und jetzt müssen wir auch noch französische Gedichte auswendig lernen. Sie waren aber neulich beim Friseur!“
„Ja, dieser Tage.“
„Das sehe ich eben. Ihr Bärtchen ist etwas kürzer geworden. Darf ich es anrühren… Es tut doch nicht weh?“
„Nein, es tut nicht weh.“
„Warum tut es weh, wenn man an einem einzigen Härchen zupft, und wenn man an vielen Haaren zugleich zupft, – nicht? Ha – ha! Schade, daß Sie keinen Backenbart tragen. Hier müßte man ausrasieren, und an den Seiten… hier die Haare stehen lassen…“
Der Junge schmiegte sich an Bjeljajew und begann mit seiner Uhrkette zu spielen.
„Wenn ich aufs Gymnasium komme,“ sagte er, „wird mir Mama eine Uhr kaufen. Ich werde sie bitten, daß sie mir auch so eine Uhrkette schenkt… Was für ein Me – dail – lon! Papa hat auch so ein Medaillon, doch auf dem Ihrigen sind hier Streifen, und auf seinem – Buchstaben… Und innen hat er Mamas Bild. Papa hat jetzt eine andere Uhrkette, nicht aus Ringen, sondern wie ein Band…“
„Woher weißt du das? Kommst du denn mit dem Papa zusammen?“
„Ich? N – nein… Ich…“
Aljoscha errötete und begann, auf einer Lüge ertappt, vor lauter Verlegenheit das Medaillon mit dem Fingernagel zu kratzen. Bjeljajew sah ihn unverwandt an und fragte:
„Siehst du manchmal den Papa?“
„N – ein! …“
„Sprich die Wahrheit, sei aufrichtig… Ich sehe es doch deinem Gesicht an, daß du lügst. Wenn du dich schon einmal
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. München: Musarion, 1920, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/023&oldid=- (Version vom 31.7.2018)