Staatsgewalt sich auch als Strafgewalt entschiedener ausprägen. War doch die gesamte Rechtsordnung die öffentliche Sicherheit und der allgemeine Frieden (im germanischen Sinn) durch ein schweres Verbrechen, durch Brand, Raub, Mord, offne Gewaltthat verletzt und daher nicht bloß der verletzte Einzelne, sondern der Staat selbst in der Lage, Genugthuung zu fordern, eine Genugthuung, welche in öffentlicher körperlicher Strafe an Leib oder Leben des Missethäters bestehen mußte. Daß der Staat gegen Verbrecher mit Strafe einzuschreiten habe, war zugleich eine Anforderung der Kirche, welche immer größere Macht auch in weltlichen Dingen erreichte; sie aber lehrte, daß die Obrigkeit das Schwert führen und damit Strafe gegen die Bösen vollziehen solle. Stets aber war das Einschreiten des Gerichts durch Klage von seiten des Verletzten oder seiner Angehörigen bedingt.
Nun wäre es allerdings konsequent gewesen, das Fehderecht völlig abzuschaffen und jede Selbsthilfe des Verletzten und seiner Genossen gesetzlich zu verbieten. Allein dem standen zwei Umstände entgegen. Noch war die altgermanische Anschauung im Volke mächtig, welche es zu den wichtigsten Rechten
Oskar Wächter: Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland. W. Spemann, Stuttgart 1882, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Vehmgerichte_und_Hexenprozesse_in_Deutschland_W%C3%A4chter.djvu/017&oldid=- (Version vom 31.7.2018)