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Maria Janitschek: Stummer Kampf

»Der schien nicht genau von der Bestellung unterrichtet zu sein oder sich nicht zu getrauen –«

Die Brauen Thorwalt’s wulsteten sich.

»Du sprichst unklar. Wann wurde sich ein Vater vor seinem Sohne etwas nicht zu thun getrauen? Du –«

»Ich wollte nur –«

»Lass mich ausreden. Du setzest den Alten herab. Der Vater ist Herr und Meister seiner Familie. Deshalb ist ihm gestattet, sich einem oder dem anderen Geschäfte zu entziehen, zu dem er vielleicht weder Freude noch Nöthigung in sich fühlt. So wird es auch bei Lomblad der Fall sein.«

»Ich wollte den Vater nicht als schwach hinstellen, eher vielleicht der Handlungsweise des Sohnes tadelnd erwähnen.«

»Das wäre nicht klug gethan. Die Voraussetzung, dass der Vater ein Schwächling sei, müsste trotzdem vorhanden sein. Und die wäre ein Unrecht. Bin ich nicht dein unumschränkter Herr, so wie du der deiner Kinder bist?«

»Vater, darf ich dir noch etwas Bier einschänken?« fragte Ulf’s Frau leise. Ihre Hände zitterten, wie sie vor ihn hintretend den Krug aufhob.

»Nein, ich danke dir.«

Unsicheren Schrittes ging sie auf ihren Platz zurück. Das Gesinde unten am Tische sass regungslos da und wagte nicht die Wimpern zu erheben.

Der Alte liess seine Blicke langsam über die Anwesenden gleiten, Blicke, aus denen der Glaube an die Macht der eigenen Autorität sprach. »Gott, dann ich!« war es in dem uralten Eichengiebel des Hauses eingeritzt zu lesen. Und der Mann mit der niederen, harten Stirne und dem halb versteckten Feuer im Blicke war der Sohn dieses Alten, dem er Alles verdankte, der ihm das Weib in die Kammer geführt hatte und seinen Kindern Gottes rauchenden Zorn im Gewitter zeigte.

Eine schwüle Pause war eingetreten. Keiner wagte zu sprechen. Selbst die Kleinen senkten die Köpfe, denn sie kannten die Strenge des Mannes oben am Tische. Da ist’s, als ob eine Lerche hereinschwirrte und plötzlich zu jubiliren begänne.

»Vater, weshalb steht der leere Stuhl neben deinem Platze? Wer sass dort? Wann kehrt er wieder?«

Ein Schrecken fasst die Andern. Die kecke Voreiligkeit! Die junge Dirne, die neben den Kindern sitzt, hat den Mund geöffnet. Die braunen Augen unter den feinen dunklen Bogen blitzen vor Lebenslust. Um den rosigen Mund spielt ein Schalklächeln.

Der Alte blickt sie an, wie er etwa ein Insect oder eine Blume angesehen hätte, die der Wind auf seinen Rockärmel geweht hat. Wird er erzürnen über ihre Weise? Nein, er ergrimmt nicht. Er lehnt sich zurück und richtet die mächtigen Augen auf sie.

»Hier ist der Brauch, erst zu reden, wenn man gefragt wird, verstehst du? Aber du bist erst einen Tag hier und kennst unsere

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Maria Janitschek: Stummer Kampf. Wiener Rundschau, Wien 1. März 1897, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Stummer_Kampf_(Janitschek).djvu/002&oldid=- (Version vom 31.7.2018)