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und ich, wie wir fürder schritten, schauete von dorten allzeit über die Haide hin. »Wen suchet Ihr, Herr Pastor?« frug das Kind.

     »Mir ist bang, ich suche einen Todten«, entgegnete ich ihm.

     Da wurde das Kind gar stille, und wir gingen weiter; aber es drängte sich an mich, wenn Krähen oder Elstern in den nackten Bäumen rauschten. Als wir oberhalb des Steines vor dem Tümpel kamen, streckte es seine Hand dahin. »Sehet, Pastor«, sprach es; »Da liegt einer!« 

     Und als wir durch das Kraut hinabgestiegen waren, da hatte ich gefunden, was ich suchte. Als habe er zu sanfter Ruhe sich gestrecket, lag hier der Wildmeister mit seinem weißen Kopfe an den Stein gestützet. Der Vorbote der aufgehenden Wintersonne war schon da: ein rother Morgenschimmer lag auf dem stillen Angesicht.

     Scheu und fürsichtig war der Knabe näher kommen. »Der schläft nur!« sagte er.

     Ich aber sprach: »Gehe hin zum Hofe und erzähle, was Du hier gesehen; und bitte, daß sie einen Wagen senden; denn hier ist Gottes Frieden und der Schlaf der Ewigkeit.« 

     Und so knieete ich zu dem Todten und betete, daß Gott Erbarmen haben möge auch mit der Seele dieses Mannes. Der Knabe aber lief dem Hofe zu.




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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_140.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)