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Gesichtlein jetzt nach der Seite auf das Fleth sah, wo wir vorhin unser liebes Kind herausgehoben hatten, wo aber jetzt nur noch der träge Zug des Wassers floß. Sie ließ sich ruhig bei der Hand fassen, als ich ihr sagte: „Komm’ mit mir; ich will Dir alle Deine Blumen abkaufen; die sollen mit der todten Frau in ihren Sarg!“

So gingen wir, und als wir in unser Haus kamen, wo Alles noch zu schlafen schien, nahm ich sie mit in meine Stube und gab ihr zu essen und zu trinken; eine Rauchwurst und ein Stückchen Brot waren noch im Schrank und auch ein Schlückchen süßen Weines; denn mir war, ich müsse zuerst das verklommene Kind erquicken. Dann stieg ich hinab und ging in die Wohnstube, wo Alles noch lag, wie ich es vorher verlassen hatte; aber durch die offene Kammerthür sah ich das Riekchen jetzt in ihrem Bette sitzen, aufrecht und geschäftig: sie wickelte das Kind und sang dazu ihr „Eia Popeia.“

„Das ist recht, Frau Geyers,“ sagte ich; „aber Ihr könnt jetzt alle Eure Tugend brauchen!“

Sie fuhr ein wenig zusammen, denn sie hatte meinen Eintritt nicht bemerkt. „Ja, Ohm Riew,“ sagte sie, „wenn wir unsere Sündenschuld abziehen, so müssen wir mit dem Rest schon fertig werden.“

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Theodor Storm: John Riew’. Berlin: Paetel, 1886, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_John_Riew_092.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)