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da war noch Platz für sie und ihn; auf Erden nicht mehr! – plötzlich wandte er den Kopf, da sah er die Fallthür aufgeschlagen, und mit halbem Leibe ragte die Gestalt des Schloßhauptmannes daraus hervor. Aber er stieg nicht weiter; mit entsetzten Augen streckte er die Arme aus und rief in bitterem Flehen: „Rolf! Rolf Lembeck, gieb mir mein Kind! Was gilt Dir noch der todte Leib?“

Der aber wandte seine Augen wieder zu dem bleichen Antlitz. „O Dagmar!“ rief er; „Süße, Selige! Du bist ja todt! Breit’ Deine Flügel nun und nimm mich mit Dir!“ Er küßte sie, er schlang die Arme fest um ihren Leib; da war mit einem Satz der greise Mann ihm in dem Rücken; er stürzte vor und griff nach ihm; doch seine Faust fuhr in das Leere. Ihm war, als flög’ ein Schatten ihm vorüber; er sah jenseit der Brüstung, wie in der Sternennacht die Sterbekleider seines Kindes wehen; dann nichts mehr; nur von unten auf der Nachhall eines schweren Falles. Der Abendhauch fuhr über die leere Thurmdecke; der Hund stand mit den Vordertatzen auf den Zinnen und sah winselnd in die Tiefe.

Da war sein Zorn als wie ein Rauch verflogen; er fiel auf seine Knie und faltete die Hände: „Herrgott,

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)