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die Tugend davon fliegt, wie der Duft aus der welken Rose verdampft – wenn mit dem Körper auch der Geist zum Krüppel verdirbt –

Amalia froh aufspringend. Ha! Karl! nun erkenn ich dich wieder! du bist noch ganz! ganz! alles war Lüge! – weist du nicht, Bösewicht, daß Karl unmöglich das werden kann? Franz steht einige Zeit tiefsinnig, dann dreht er sich plötzlich um zu gehn. Wohin so eilig, fliehst du vor deiner eigenen Schande?

Franz mit verhülltem Gesicht. Laß mich, laß mich! – meinen Tränen den Lauf lassen – tyrannischer Vater! den besten deiner Söhne so hinzugeben dem Elend – der ringsumgebenden Schande – laß mich, Amalia! ich will ihm zun Füssen fallen, auf den Knien will ich ihn beschwören, den ausgesprochenen Fluch auf mich, auf mich zu laden – mich zu enterben – mich – mein Blut – mein Leben – alles –

Amalia fällt ihm um den Hals. Bruder meines Karls, bester, liebster Franz!

Franz. O Amalia! wie lieb ich dich um dieser unerschütterten Treue gegen meinen Bruder – verzeih, daß ich es wagte, deine Liebe auf diese harte Probe zu setzen! – Wie schön hast du meine Wünsche gerechtfertigt! – Mit diesen Thränen, diesen Seufzern, diesem himmlischen Unwillen – auch für mich, für mich – unsere Seelen stimmten so zusammen.

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Friedrich Schiller: Die Räuber. Frankfurt und Leipzig: 1781, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Schiller_Die_R%C3%A4uber_048.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)