Seite:De Orchideen Meyrink.djvu/143

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mit dem schwarzen Stock berührt er die Wachshäufchen, die auf der Kupferplatte langsam zerschmelzen, und murmelt mit letzter Kraft und stockender Stimme die Beschwörungsformeln des Grimoires:

„– – – rechte Himmelsbrot und Speise der Engel – – – – Schrecken der Teufel bist – – – – ob ich gleich voll sündigen Unflats – – – – diese reißenden Wölfe und stinkenden Höllenböcke zu bezwingen gewürdiget werde – – – – – Harnisch – – – – zaudert ihr länger vergebens – – – – – – – Aimaymon Astaroth – – – – – diesen Schatz nicht mehr länger zu verwehren – – – – – Astaroth – – – – – – beschwöre – – – – – Eheye – – – Eschereheye.“

Er muß sich niedersetzen, Todesangst befällt ihn; – die drosselnde unbestimmte Furcht dringt durch den Boden und die Mauerritzen, senkt sich von der Decke herab – das grauenhafte Entsetzen, das das Nahesein der haßerfüllten Bewohner der Finsternis verkündet!

Es pfeifen die Ratten. Nein, nein – – nicht Ratten – – ein gellendes Pfeifen, das den Kopf zersprengt.

Das Sausen!

Es ist das Blut in den Adern. Das Sausen! – – – – – von Flügeln. Die Kohlen verglimmen.

Da, da: – – Schatten an der Wand. Der Alte stiert mit gläsernen Augen hin. – – – Moderflecke sind es und abgeschuppter Bewurf.

– – – – Sie bewegen sich, sie bewegen sich – – – –: ein Knochenschädel mit Zähnen – – Hörnern! – – und leere, schwarze Augenhöhlen. Skelettarme schieben sich langsam geräuschlos nach, ein Ungeheuer wächst aus der Wand – in hockender Stellung, und erfüllt das Gewölbe. Das Gerippe einer riesigen Kröte mit dem Schädel eines Stieres.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)