Seite:De Orchideen Meyrink.djvu/036

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Chimäre

Reifes Sonnenlicht liegt auf den grauen Steinen, – der alte Platz verträumt den stillen Sonntagnachmittag. –

Aneinandergelehnt schlummern die müden Häuser mit den verfallenen Holztreppen und heimlichen Winkeln, – mit den treuen Mahagonimöbeln in den kleinen altmodischen Stuben.

Und warme Sommerluft atmet durch wachsame offene Fensterchen.

Ein Einsamer geht langsam über den Platz zur Kirche des heiligen Thomas, die fromm herabsieht auf das ruhige Bild. Er tritt ein. –

Seufzend fällt die schwere Türe zurück an das Lederpolster.

Verschlungen ist der laute Schein der Welt – grünrosa fließen die Sonnenstrahlen durch schmale Kirchenfenster auf die heiligen Steinquadern. – Hier unten ruhen die Frommen aus vom wechselnden Sein.

Der Einsame atmet die tote Luft. – Gestorben sind die Klänge, andächtig liegt der Dom im Schatten der Töne. – Das Herz wird ruhig und trinkt den dunkeln Weihrauchduft. –

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/036&oldid=- (Version vom 31.7.2018)