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„Die Frau Cinibulk hat sich „versehen“ an dem Ungeheuer,“ – lief es von Mund zu Mund. –

Eine große Unruhe entstand. –

„Machen Sie doch Platz, Himmel Herrgott – ich muß nach Hause,“ hörte man vereinzelte Stimmen.

„Laßt uns nach Hause gehen, nach unsern Frauen sehen,“ – intonierten ein paar Gassenbuben, und der Mob johlte. –

„Kusch, ihr Lausbuben,“ schie der Herr Stadtarzt und lief ebenfalls so schnell er konnte heim.

Wenn es nicht zu regnen angefangen hätte, – wer weiß, wie lange die Leute noch auf der Straße geblieben wären. – So leerten sich allmählich die Plätze und Gassen, und nächtliche Ruhe legte sich auf die nassen Steine, die trüb im Laternenlichte glänzten. – –

*     *     *

Mit dem Eheglück der Cinibulks war es seit jener Nacht vorbei. –

Gerade in so einer Musterehe mußte das passieren! – Wenn das Kind wenigstens gestorben wäre, – Achtmonatskinder sterben doch sonst gewöhnlich.

Der Gatte, der Stadtrat Tarquinius Cinibulk, schäumte vor Wut, – die Buben auf der Gasse liefen ihm nach und johlten; – die mährische Amme hatte die Freisen bekommen, wie sie das Kleine erblickt, und er mußte in die Zeitung handgroße Annoncen einrücken lassen, um eine blinde Amme aufzutreiben. –

Schon am nächsten Tage nach jenem schrecklichen Ereignis hatte er angestrengt zu tun, um alle die Agenten von Castans Panoptikum aus dem Hause zu scheuchen, welche das Kind sehen und für die nächstjährige Weltausstellung gewinnen wollten.

Vielleicht war es einer dieser Leute gewesen, der ihm, um seine Vaterfreuden noch mehr zu dämpfen, die verhängnisvolle Idee, er sei von seiner Gattin hintergangen

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/017&oldid=- (Version vom 31.7.2018)