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Es war der Tadsch Mahal von Agra, jenes Zauberschloß des Großmoguls Aurungzeb, in welchem dieser vor Jahrhunderten seinen Vater einkerkern ließ. –

Der Kuppelbau aus bläulichem Weiß wie Krystallschnee – mit schlanken Seitenminaretts, – in einer Pracht, die den Menschen in die Knie zwingt, – warf sein Spiegelbild auf den endlosen schimmernden Wasserweg zwischen traumgeschmiegten Cypressen. –

Ein Bild, das dunkles Heimweh weckt nach vergessenen Gefilden, die der Tiefschlaf der Seelenwanderung verschlungen. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Stimmengewirr der Zuschauer, ein Staunen und Fragen. – Die Flasche wurde losgewickelt und ging von Hand zu Hand. –

Monate lang halte sich so ein fixiertes plastisches Gedankenbild, übersetzte der Dolmetsch, zumal es der immensen stetigen Vorstellungskraft Radschendralalamitras entsprungen sei, – Projektionen europäischer Gehirne dagegen hätten nicht annähernd diese Farbenpracht und Dauer.

Viele ähnliche Experimente wurden noch gemacht, bei denen teils wieder der Brahmane, teils einer oder der andere der berufensten Gelehrten die Goldkette um die Schläfen knüpfte. – – –

Klar wurden eigentlich nur die Vorstellungsbilder der Mathematiker; – recht sonderbar fielen zuweilen die Resultate aus, die den Köpfen juridischer Kapazitäten entsprangen, – allgemeines Staunen aber – und Kopfschütteln – bewirkte die angestrengte Gedankenprojektion des berühmten Professors für innere Medizin, Sanitätsrats Mauldrescher. – Sogar den feierlichen Asiaten blieb der Mund offen: Eine unglaubliche Menge kleiner mißfarbener Brocken, dann wieder ein Konglomerat verschwommener Klumpen und Zacken war in dem Versuchskolben entstanden.

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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/011&oldid=- (Version vom 31.7.2018)