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mir als ein unerträglich langer Zeitraum vorkam. Es war eine vollständige Verwirrung des Zeitbegriffes. Ich hörte Schritte, die Vorhänge wurden zurückgeschlagen. Ernst stand vor mir. Er streckte mir, heiter lächelnd, wie sonst seine kräftige Hand entgegen, die aber immer nur zwei Finger der dargereichten nahm, ohne sie fest zu berühren. Ein origineller Contrast, diese elfenhafte Zartheit und dieser muskulöse von Kraft und Jugend strotzende Körperbau. In seinem Äußern, in seinem Auftreten war er derselbe wie immer, und doch merkte ich sofort eine große, psychische Verstimmung, die sich seiner bemächtigt hatte. Er nahm an meiner Seite Platz, kein Wort des Unwillens darüber, daß ich ihn in seinem Vorsatze, zu Hause zu bleiben, gestört hatte, drang über seine Lippen. Anfangs stockte das Gespräch, aber es kam schneller in Fluß, als ich gedacht hatte; gerade heute hatte ich jene langen Kunstpausen gefürchtet, die dann einzutreten pflegen, wenn man verlegen nach Worten tastet, um einer Stimmung greifbaren Ausdruck zu geben, die uns selbst noch in dämmerndes Dunkel gehüllt ist, uns aber trotzdem oder gerade deswegen unsagbar quält.

Ich hatte ihm eigentlich nicht viel oder gar nichts mitzutheilen, nur daß meine Stimmung, die

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Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/058&oldid=- (Version vom 31.7.2018)