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Er mit seiner abnormalen Moral, die er jedem andern aufhalsen wollte, nur nicht sich selbst, glaubte in seinem Größenwahn, nicht nur ein ganz eigenartiger Kopf zu sein, nein, er war überzeugt, daß er ein Auserlesener sei. Dieser Arme im Geiste, dieser „Rauscherzeugte“, glaubte, daß die Absonderlichkeit seiner Empfindungen und seiner gewonnenen Eindrücke jede seiner an sich so unbedeutenden und kleinlichen Handlungen veredle und auszeichne. Aber alle diese Empfindungen fußten nur auf seinem brutalen Egoismus. Und immer schmatzte er mit bäuerisch-rohem Behagen über seine Säuferlippen das Wort „Moral“.

Er war so jämmerlich geistesarm, daß er noch immer an eine allgemeine, für jedes Mitglied der Gesellschaft bindende Moral glaubte, an eine jedes Individuum voll und gleich bindende Moral, in einer Zeit, wo sich die allgemeine Auflösung des Staates und der Gesellschaft in lauter Einzelindividuen gebieterisch vorbereitet. Als ob es jemals eine Moral gegeben hätte! Es kann höchstens von einer individuellen Moral gesprochen werden, und auch die ist nicht weit her. Ein freier Geist wird sie jedenfalls bald zum Teufel gejagt haben. Wer würde sich, wenn er nicht eine Sclavennatur

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Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/035&oldid=- (Version vom 31.7.2018)