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unserer Leidenschaften emporlodern. Wir haben mit Blut und Brand und Mord unsere Liebe brutal erschlagen, aber eben deshalb besitzen wir noch die Kraft, von neuem zu lieben, von neuem zu hassen; noch sind wir nicht angelangt bei jenem traurigen, jämmerlichen Muthe der Feigheit, bei der kampflosen, marastischen Entsagung. Wer morden kann, der ist vielleicht, ja gewiß am besten prädestiniert, neues, junges, weihrauchspendendes Leben zu erwecken. Mörder werden kräftige, entschlossene Kinder zeugen. Dies fühlen auch die Weiber am besten. Die größten Tyrannen und Räuber haben die meisten nackten Frauen gesehen. Diese erkennen unbewußt in jenen die Akme der Zeugungskraft. Nur aus dem rücksichtslosen, anfänglich total planlosen Vernichten kann ein neues Werden blühen.

Woher also die Furcht? Die Furcht vor dem Plötzlichen? Naturgemäß hätte es da gar keine Furcht geben können, denn wenn mein Ich nach einer neuen Leidenschaft verlangt, so muß es die alte vernichten. Und bei Forderungen, die eben durch solche große Leidenschaften bedingt werden, hilft sich die Natur durch ein Radicalmittel.

Dieser plötzliche Bruch hätte durch den darauffolgenden rasenden Schmerz nur das Feld gedüngt.

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Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/030&oldid=- (Version vom 31.7.2018)