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und des anbrechenden Winters litt ich gräßlich. Geschlechtlich war ich fertig. Ernst zechte noch immer ziemlich stark vom Champagner der Liebe. Aber an diese unfreiwillige Entsagung hatte ich mich schließlich und endlich gewöhnen müssen. Etwas anderes, ein unbestimmtes Gefühl einer wahnsinnigen, krallenden Angst ließ mich nicht mehr los. Ich wußte, daß ich zum letztenmal einer großen, aufrichtigen, reinen Leidenschaft fähig war, wußte das mit unumstößlicher Gewißheit. Das wardie letzte. Vielleicht war es überhaupt die einzige gewesen. Die einzige darum, weil meine Seele stürmte, meine lebende, athmende dürstende Seele – weil ich, ich, ich liebte, nicht weil ein zur Freundschaft abgestumpfter Geschlechtswille die Zellen meines Gehirns und seiner Nerven so oder so durcheinander warf.

Und dann kam die Angst, die entsetzliche Angst, ihn zu verlieren, plötzlich, unvorbereitet, durch einen brutalen Auftritt.

Ich war recht kindisch. Wenn eine große Leidenschaft eine jähes Ende nimmt, so ist die nächste Folge eine Anarchie unserer Gefühle, aller unserer intimen und intimsten Ansichten. Dann freilich ist unsere Seele ein weites Feld mit ungeheuren, gigantischen Schutthaufen, aus denen die gefräßigen Flammen

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Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/029&oldid=- (Version vom 31.7.2018)