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6. Vnderwalden /

Das Land / ligt auff der lincken Seiten deß Lucerner See im Aergäw / gegen Nidergang der Sonnen / vnnd wird zu Latein Sylvania, von dem Kernwald darinn gelegen / genannt / vnnd in zwey Thalgeländ getheylet / deren das Eine / Vnderwalden nid dem Wald / das Ander ob dem Wald geheissen / vnd beyde durch besagten Kernwald vnderscheiden / vnnd doch nur mit einem Namen Vnderwalden genannt: Vnd die ob dem Wald von den Römern / die andern aber von den Cimbrern hergeführet werden. Es ist zwar alles nur ein Orth der Eydgnoßschafft / so auff den Tagleistungen gemeinlich auch nur ein Stimm: Gleichwol so haben sie 2. Gericht / 2. Obrigkeit / 2. Land-Paner / vnnd zweyerley Wappen: Schicken auch mehrmahls / auß jedem Gelände / einen Botten auff die Tagleystungen / wiewol das Land Ob dem Wald mehr Schlösser erhalten / vnnd heutigs Tags noch mehr Flecken vnnd Dörffer / dann das Nid dem Wald / hat. Es ist ein lieblich Geländ / mit hohem grawsamen Gebürg vmbmauret / die sind aber mit grünen Wiesen / vnd graßreichen Alpen geschmückt. Von dem Regiment ist oben bey Vry zu lesen. Der fürnembste Platz Ob dem Wald / ist der herrliche Haupt-Fleck Sarnen / auff der obern Seiten der Aa. Der Haupt-Fleck aber deß Lands Nid dem Wald / ist Stans / ein vnbeschlossen frey Dorff / aber von Gebäw / Burgerlichen Sitten / Märckten / etc. einer Statt zu vergleichen. Ist alles der Römisch-Catholischen Religion zugethan. Vnd ligt in diesem Ländlein Vnderwalden die Abbtey Engelberg / Mannen vnnd Frawen-Kloster / gleich an einander / Benedictiner Ordens oder Regel / am Wasser Aa. Die Wald-Stätt sein Schirm-Herren darüber. Auff 2. Meyl Wegs vnter Engelberg / auff der rechten Seiten am See / ligt das Dörfflein Beckenriedt / so ein Gestad vnd Schifflände deß Obern Lucerner Sees / da man von Vry vnd Schwitz herländet. Hat gute Herbergen / vnnd ist ein besonderer Platz / dahin sich die vier Waldstätt / Lucern / Vry / Schwitz / vnnd Vnderwalden / in höchsten vnd schwersten Händeln / versamblen. Ligt ein Meil Wegs von obgedachtem Flecken Stans. Bey einer Stund Fußwegs vngefährlich vnder diesem Stans / am vndern Lucerner See / ist das Flecklein vnnd Schifflände Stansstad / da man von Lucern her zu ländet / vnnd dahin allerley Güter von Lucern herauff bringet / so beyden Ländern / Ob vnnd Nid dem Wald nothwendig seyn. Es hat im Ländlein ob dem Wald / im Melchthal / ob Saxlen / der berühmte Einsidel / Bruder Claus gelebt / von welchem Matthaeus Raderus, volum. 2. Bavariae Sanctae, p. 342. also schreibet: Notus est impransus ille, et incoenatus Helveticae Gentis miraculum, et Oraculum, Nicolaus Subsilvanus, qui ipsos propè 20. annos, in secessu montis, ritu Coelitum, non esurit: nec quicquam cibi è terra nati, laticisque gustavit, satur Ambrosià panis, qui de coelo descendit, et nectare coelestum contemplationum inundatus. Zu diesem Bruder Clausen ist ein edler Bayer Nahmens Vlrich / kommen / vnnd hat gebetten / Ihn / in seine Gesellschafft / auffzunehmen / so Er auch erlangt hat. Die erste dreyzehen Tag ist dieser Udalricus gantz nüchtern / oder vngessen / geblieben; hernach hat Er / auß Vermahnung deß besagten Bruders Nicolai, ein halbes Brodt / in dem Melchbach geduncket / oder geweichet / vnnd / den andern Tag / das andere halbe Brodt / zu sich genommen; vnnd forthin seinen Leib / das Leben zu erhalten / mit gar geringer Speise versorget; vnnd in der Einöde sieben Jahr zugebracht / vnnd / nach dem besagten Bruder Clausen / noch vier Jahr / vnnd drey Monat / gelebt / vnnd ligt in der Pfarr Kertzsin / mit dieser Schrifft / begraben:

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae. , Frankfurt am Main 1654, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Helvetiae,_Rhaetiae_et_Valesiae_041.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)