Seite:De Merian Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae 497.png

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daselbst ein sonderlich vocabulum terminale ist / gequestet hätten: Ihre Majestät wären gesinnet / solches abzubringen / und auff andere bessere Mittel zurichten nemblich daß sie nur etliche gewisse Tage / nach Gelegenheit eines jedern Güter / die er von seiner Herrschafft innen hätte (denn kein Bauer derselben Oerter sich eines Eigenthums rühmen darff / sondern es ist alles deß Junckern / der die Bauren verjagen / oder vertauschen mag / wann er will) zur Arbeit kommen / und an statt der Peitsche / wegen der Ubertrettung / mit einer Gelt- oder dergleichen Busse / belegt werden solten. Aber der Bauren Außschuß haben einen Fußfall gethan / und umb Gottes Willen gebetten / daß sie bey ihrer alten Fron / und Straff möchten gelassen werden Dessen der König lachen muste / daß sie über ihren Barbarischen bösen Gebräuchen steiffer hielten / als die Rigischen über ihren wohlhergebrachten Freyheiten / und hat sie bey ihren alten Diensten / und Straffen / bleiben lassen. Die Unteutschen aber sind jetziger Zeit die leibeigene Bauren in Liffland; denen für gar alten Zeiten Eiffland erblich / und eigen zugehört gehabt: Aber die Bremer Kauffleuthe / und Schiffer / haben für 500. Jahren (vom Jahr 1585. anzurechnen) ungefehr / die Gelegenheit deß Lifflands erkundiget / und als sie befunden / daß es ein Heydnisch / Barbarisch / und ungeschicktes Volck gewesen / haben sie die die Hafen des Landes mit Gewalt eingenommen / auch auff ein kleine Insul / nicht fern von Riga erstlich eine Kirche gebauet / und dieselbe Kirchholm (dann Holm heisset eine Insul) genennet / viel Scharmützeln mit diesem Volck gehabt / biß sie das endlichen unter sich gebracht / auch etlicher massen zum Christlichen Glauben bekehret gehabt. Wie sie nun deß Landes fast mächtig gewesen / und desselben Gelegenheit ihnen wolgefallen / haben sich auß Westphalen viel hinein begeben / biß letzlich / durch des Bapsts Zulaß / ein Teutscher Orden drinnen gestifftet / darzu denn das mehrertheil Westphalische Edelleuth gezogen worden; wie auch noch der meiste Theil der Liffländischen Einwohner / so die armen unteutschen Bauren unter sich haben / Westphaler sind. Sie werden aber darumb Unteutsch genant / daß sie sonderliche Sprachen haben / die derer Oerter sonst mit keiner Hauptsprach / als Moscowitisch / Polnisch / und dergleichen / übereinkompt. Weil sie aber nicht eine / sondern dreyerley Zungen unter sich brauchen / als werden die jenigen / so nahe bey Derpt wohnen / die Esten / und ihre Spraach Estinisch: die andern / so bey Riga wohnen / werden die Lyben / und ihre Spraach die Lybische: die dritten aber seynd Churn / und ihre Spraach wird die Churische geheissen. Sie haben unter sich noch ein alt Geschlecht / welches vorzeiten sie mag sämptlichen regiert haben / und werden die auß demselben Geschlecht die Churische Könige genandt / seynd aber jetzt nicht mehr / als reiche freye Bauren: und hat der ältiste noch jederzeit ein Lehen von hundert Bauren unter sich: Aber die Polen haben im jüngsten des Stiffts Churland Tumult / solche Churische König fast dünne gemacht. Es ist aber ins gemein das Unteutsche Volck ein sehr Barbarisch / Viehisch / und Närrisches Volck / derer etlich zwar zum Christlichen Glauben bekehrt seynd / die andern aber für dem nächsten Baum / der etwa im Felde allein stehet / niderfallen / und denselben anbeten. Das Weibsvolck hat auch im harten Winter nur etwa ein Stuck blau / oder roth Tuch umb sich geknüpfft / das ist eine Kleidung: behenckt sich / anstatt eines grossen Zierraths / mit Schneckenhäusern / und messenen Ringen: umb die Kniebänder machen sie ein hauffen kleiner hellen Schellen / also / daß man sie von weitem hört kommen: die Schuhe flechten sie von Bast: wie sie dann auch andere Sachen deß mehrertheil von Baste zusammen flechten. Ihren Ackerbau können sie gar leicht [1] bestellen / haben einen Pflug mit einem kleinen leichten Eisen / den ein zimlicher starcker Junger mit einer Hand leichtlich regieret / und mit einen ihrer kleinen Pferden solches verrichten kan. Sie machen aber / wie zuerachten gar seichte Forchen. Die Sommersaat säen sie erst kurtz für Johannis Baptistae, und erfordert es die Gelegenheit derselben Landes nicht anders / dann es zu solcher Zeit kaum recht warm wird. Darnach aber fallen deß Nachts kühle nasse Taue / und deß Tages ist ein grosse Hitz / dergleichen auch in Italien nicht zuspüren / und wenig Regen; also daß sie das Sommergetreydig in acht Wochen auß dem Sacke wieder in dem Sack haben können. In der Zeit der Erndten haben sie eine sonderliche

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: leich
Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae. Eigenverlag, Frankfurt am Mayn 1652, 2. Ausgabe um 1680, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Electoratus_Brandenburgici_et_Ducatus_Pomeraniae_497.png&oldid=- (Version vom 18.5.2023)