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seiner Gefolgschaft ihn verlassen hatten, sein Haus leer geworden war, seitdem er nicht mehr Wein und Braten aufzutischen vermochte.

„Jetzt erst, wo die Menschen Sie nicht mehr als einen Märtyrer bewundern, werden Sie zeigen können, daß Sie ein Mann sind!“ sagte Georg, als er schwieg.

Mit einer raschen Bewegung, als wolle er jeden Rest von Schwäche verscheuchen, strich sich Egidy über die Stirn und reichte Georg die Hand: „Weiß Gott, – ich werde es beweisen!“ Und sich zu mir sich wendend, fuhr er fort: „Erinnern Sie sich, was ich Ihnen in Hannover sagte: ,Im schlimmsten Fall reite ich allein – langsamen Schritt vorwärts – nach Zählen – im Kugelregen.‘ – Leben Sie wohl.“

Mich ließ er schweren Herzens zurück. „Allein – im Kugelregen!“ “ wiederholte ich leise und kreuzte fröstelnd die Arme unter der Brust.

„Meine Alix fürchtet sich?! – Vergiß niemals, was der große Sklavenbefreier William Lloyd Garrison sagte: Einer mit der Wahrheit im Bunde ist mächtiger als alle. In diesem Glauben siegte er!“ Georgs blasse Haut leuchtete im Abenddämmer.

War ich so schwach, daß ich immer Menschen suchte – Gleichgesinnte? – und mich freute wie ein Kind, das hinter den Felsen hundert Gespielen wähnt, wenn irgendwo ein Echo meiner Stimme mir entgegenklang? …


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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/630&oldid=- (Version vom 31.7.2018)