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Zwanzigstes Kapitel


An einem schönen Sommersonntag besuchten uns die Eltern wieder. Sie berührten das Vergangene nicht mehr. Und von da an kamen sie oft, aber meist jeder allein. „Bei Euch ist’s so schön ruhig!“ pflegte Mama zu sagen, wenn sie sich tief in den Lehnstuhl gleiten ließ. „So viel Sonne habt Ihr!“ bemerkte der Vater und stellte sich mit dem Rücken ans Fenster in die hellsten Strahlen, als fröstle ihn. Auch das Schwesterchen lief oft herüber. Sie war ein bildhübscher Backfisch geworden, mit einem suchenden Glanz in den Augen. „Papa brummt immer, – wir gehen ihm so viel als möglich aus dem Wege!“ erzählte sie.

Sonntags mußte ich zu Tisch zu den Eltern kommen, oder zu Onkel Walters. Es war jedes Mal eine Quälerei, denn um zwecklosen Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen, blieb mir nichts übrig, als zu schweigen, während mir das Blut oft vor Zorn in den Schläfen klopfte. Man vermied zwar von der Ethischen Bewegung zu sprechen, schimpfte aber um so mehr auf Juden, Kathedersozialisten und Egidyaner, als den „Hilfstruppen“ der Sozialdemokratie, und die Tante besonders fand ein Vergnügen darin, mich durch ihre schwärmerische Kaiser-Verehrung zu reizen.

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/628&oldid=- (Version vom 31.7.2018)