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„Ich verstehe Sie nicht, – Sie scheinen gegen den eigenen Plan zu sprechen, – nach Ihnen müßte keine ethische, sondern eine atheistische Gemeinschaft gegründet werden,“ wandte ich ein.

„Sie irren, – atheistische Pfaffen, die wir in diesem Fall züchten würden, schaden unserer Sache mindestens ebenso viel wie kirchliche. Ethik wollen wir verbreiten, und in dieser Ethik ruht die Kraft der Wahrhaftigkeit, die allmählich alle alten Gespenster austreiben wird. Für mich – wir beide sprechen offen miteinander! – – ist die Hauptaufgabe der Ethischen Gesellschaft nicht die, für Gerade und Krumme ein gleichmäßig passendes moralisches Mäntelchen zuzuschneiden, sondern im Dienst der sittlichen und sozialen Entwicklung dem Antichristentum und dem Sozialismus die Wege zu bereiten!“

Ich schwieg; ein tiefer Schrecken vor unbekannten Gefahren hatte mich erfaßt. Der Sozialismus! – Männer mit niedrigen Stirnen und schwieligen Fäusten sah ich, schwindsüchtige Frauen und Kinder mit Greisengesichtern, ein Zug von Gestalten, haßerfüllt die Züge, die Fäuste drohend erhoben wider alles, was unser Leben schön und reich machte, eingehüllt in einen Geruch von Schweiß und Blut. Helfen wollte ich ihnen, – einen Weg wollte ich hauen durch die Wildnis ihres Elends, ich fürchtete nicht die Dornen, die mir die Hände zerreißen, die fallenden Äste, die mich verwunden würden, – aber mich ihrem Zuge einreihen –, mich schauderte.

„Wie sind Sie blaß und still geworden!“ hörte ich Glyzcinskis warme Stimme. „Verzeihen Sie mir – ich habe mich schon so daran gewöhnt, vor Ihnen laut

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/523&oldid=- (Version vom 31.7.2018)