seit ich tat, was mir Pflicht schien.“ Scharf und bestimmt sprach er, und dann erst wandte er sich zu meiner Mutter und mir.
„Darf ich Ihnen meine Töchter bringen?“ frug er mich. „Es sind brave Kinder, die alles tapfer mit mir getragen haben und doch wehmütig empfinden, wie sie aus ihrer Bahn gerissen wurden.“ Ich reichte ihm die Hand.
„Selbstverständlich, Herr von Egidy! Was ich den Ihren sein kann, will ich mit Freuden sein,“ antwortete ich.
„Und darf ich nicht nur auf Ihre Freundschaft, sondern auch auf Ihre Mitarbeit rechnen?“ Er streckte mir noch einmal die Hand entgegen.
Ich legte die meine zögernd hinein: „Auf meine Freundschaft, ja! Meine Mitarbeit aber kann ich Ihnen noch nicht versprechend!“
Sein Blick verfinsterte sich. „Ihr Herr Vater ehrt die Überzeugungstreue …“ sagte er mit Betonung.
„Und ich werde meiner Überzeugung zu folgen wissen!“ entgegnete ich gereizt.
Am Nachmittag erzählte ich dem Professor von Egidy und meinen Beziehungen zu ihm. Ich war noch verärgert, und mein Urteil über die Halbheit, die ihn zwang, an dem Namen „Christentum“ festzuhalten, mochte nicht gerade milde klingen. Der Professor schüttelte den Kopf, – ein deutliches Zeichen seines Mißfallens. „Sie verlangen wirklich ein bißchen viel, gnädiges Fräulein! Ist es nicht schon einzig und unerhört und höchst erfreulich, daß ein Mann, wie er, in dieser Weise den Kampf gegen das traditionelle Christentum aufnimmt?
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/508&oldid=- (Version vom 31.7.2018)