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ist, ehe er zur Kavallerie ging. Übrigens ein famoser Kerl, tapfer und ehrlich. Und, – stell dir vor! – die Rasselbande hat ihn geschnitten! Kannst dir denken, daß ich ihm um so deutlicher meine Anerkennung für seine

Überzeugungstreue aussprach. Er wäre mir beinahe um den Hals gefallen vor Dankbarkeit.“

In diesem Augenblick entdeckte mein Vater die „Volkstribüne“, die offen vor mir lag. Die Ader schwoll ihm auf der Stirn, und blaurot färbten sich seine Züge. „Was für ein Schuft hat dir diese Zeitung in die Hände geschmuggelt?“ schrie er, „vor meine Pistole mit dem infamen Patron!“

„Ich habe sie mir gekauft,“ log ich, „man muß auch seine Gegner aus ihren eigenen Schriften kennen lernen.“

Mein Vater nahm wütend die Blätter vom Tisch und zerriß sie. „Bring mir solche Schweinereien nicht wieder ins Haus!“ drohte er mit erhobener Faust. „Von Leuten, die das Vaterland verraten, den Meineid predigen und den Fürstenmord, darf meine Tochter nicht einmal einen Fetzen Papier in Händen haben!“ Und wütend warf er die Tür ins Schloß.

Am nächsten Vormittag besuchte uns Egidy. Den Zylinder in der Hand, in militärisch strammer Haltung wie zu einer dienstlichen Meldung stand er vor meinem Vater.

„Die Wohltat, die Eure Exzellenz mir in Brandenburg erwiesen, rechne ich zu den höchsten Empfindungen inneren Glücks, die mich bisher in meinem Leben beseelten. Euer Exzellenz Worte sind – ich sage nichts, als was ich fühle, – die größten, die an mich heranklangen,

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/507&oldid=- (Version vom 31.7.2018)