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Zeit die Kirche und ihre Diener haßte. Dankbar für mein vermeintliches Interesse brachte er mir täglich andere Bücher und Broschüren und lief geduldig die Lästerallee mit mir auf und ab, wenn ich es in der von Ärger und Mißgunst geschwängerten Atmosphäre unserer Tafelrunde gar nicht mehr aushalten konnte.

So gingen wir gerade einmal wieder von einer Musikkapelle zur anderen, als der Oberst plötzlich stehen blieb.

„Wie gehts dir, Vetter?“ hörte ich ihn sagen; mein Blick fiel durch den Schwarm Vorübergehender hindurch auf ein schmales Gesicht, von dichtem braunem Bart umrahmt, aus dem zwei tiefe, strahlende Kinderaugen herausleuchteten, wie von großer innerer Freude erhellt. „Gut – sehr gut,“ antwortete eine Stimme, die wie ein voller Geigenton klang. Welch glücklicher Mensch muß das sein, dachte ich mit stillem Neid. In dem Augenblick schoben sich die Menschen zwischen uns auseinander, – ich sah einen Rollstuhl, – eine dunkle Pelzdecke, – zwei ganz schmale, weiße Hände, deren blaues Geäder wie mit einem feinen Pinsel gezogen war, – einen schmächtigen Oberkörper – – unmöglich! – das konnte doch der Mann nicht sein mit den strahlenden Kinderaugen! Aber schon richteten sie sich auf mich – verwirrt sah ich zu Boden. „Entschuldigen Sie …“ sagte mein Begleiter im Weitergehen. „Wer war das?“ frug ich hastig, noch im Bann tiefen Erstaunens.

„Professor von Glyzcinski – mein Vetter,“ lautete die lakonische Antwort.

„Können Sie mich mit ihm bekannt machen?“ Mein rasch entstandener Wunsch formte sich ebenso rasch zur Bitte. Der Oberst runzelte die Brauen.

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/502&oldid=- (Version vom 31.7.2018)