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vor all den Blicken, die sich auf mich richteten, Angst vor dem Skandal, den ich erregen würde, ließen mich schweigen. Aber als wir Jugend beim Abendessen, getrennt von den anderen, zusammensaßen und Hermann Wolkenstein eine wegwerfende Bemerkung machte, die mir in seinem Munde doppelt lächerlich vorkam, verteidigte ich die moderne Richtung in Kunst und Literatur, und zwar um so schärfer, je mehr mich die Beschränktheit und der dumme Hochmut der anderen empörte.

„Weiß Tante Klotilde um deine Ansichten?“ frug unvermittelt eine der Potsdamer Kleves und streifte mich mit einem schiefen, lauernden Blick.

„Ich würde vor ihr am wenigsten Anstoß nehmen, sie zu entwickeln,“ antwortete ich und warf den Kopf zurück.

„Von dir wundert mich schon gar nichts mehr,“ meinte Hermann naserümpfend. „Wer sich mit jüdischen Literaten intimiert …“

„Beleidige doch deine Vorfahren nicht noch im Grabe –“ spottete ich.

Er warf mir einen bösen Blick zu. Die anderen, ihrer tadellosen Ahnenreihe bewußt, lächelten leise. Das reizte ihn noch mehr. Er hieb mit der riesigen, weißen, gepflegten Hand auf den Tisch, daß sein Kettenarmband klirrend unter der Manschette hervorsprang.

„Und du spiel’ dich nicht auf,“ zischte er zwischen den Zähnen hervor; „mit deiner Vergangenheit hast du am wenigsten Grund dazu.“ Ein unartikulierter Laut ließ mich den Kopf rasch zur anderen Seite wenden, Fritz hatte ihn ausgestoßen. Er saß da, kreideweiß im Gesicht, mit zuckenden Lippen.

„Sie werden meine Kusine um Verzeihung bitten,

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/481&oldid=- (Version vom 31.7.2018)