Schar dieser durch die eigene Leistung froh bewegten Männer kam ich mir einmal wieder wie zu Hause vor. Da fiel mein Blick auf einen, der mit verschränkten Armen und gefurchter Stirne abseits stand: Egidy, – und ich erwachte aus der Betäubung. Nein – hier war meinesgleichen nicht mehr, – ich erhob mich hastig aus dem lustigen Kreise und trat auf ihn zu.
„Ihre Worte kommen mir nicht aus dem Sinn“ – sagte er, „ich ging nach Hannover in der Meinung, noch einmal fröhlich sein zu können, und überzeugte mich für immer, daß der Frohsinn gebannt ist und, – bleiben die ernsten Gedanken in meinem Schreibtisch –, nimmer wiederkehren würde. Und nun empfind’ ich, daß die Veröffentlichung dem Frohsinn erst recht den Weg sperren wird.“ Seine Stimme sank. Mit einer raschen Bewegung legte er die Hand vor die Augen: „Und es ist doch so schön gewesen!“
Ein Blick voll tiefem Abschiedsweh flog über die Haide, den schimmernden Fluß, die lachenden Kameraden. Mir wurden die Augen feucht. Ich griff nach seiner Hand. „Gehen wir,“ sagte ich leise, „losreißen müssen wir uns doch – ehe die anderen uns verleugnen.“ Und stumm, schweren Herzens, zögernd, als schleppten wir eine unsichtbare Kette nach, schritten wir durch den Wald zur nächsten Station.
Abends war ich wieder in Harzburg. Noch in der Nacht nahm ich mein schwarzes Büchlein aus dem Koffer, schrieb ein paar Zeilen dazu und sandte es frühmorgens an Egidy. Eine unbestimmte Hoffnung, daß er doch vielleicht der Befreier – auch mein Befreier – werden könnte, ließ mir das Herz dabei höher schlagen. Wenige
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/455&oldid=- (Version vom 31.7.2018)