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mir zu Gebote stehenden Mittel unausfüllbar blieben. Meine Unwissenheit auf den Gebieten der Philosophie und der Naturwissenschaften stürzte mich oft in die tiefste Verzweiflung. Mein ganzes bisheriges Leben erschien mir dann wertlos, die Zukunft, wie ich sie erträumte, auf immer gefährdet. Oft saß ich bis in die Nacht hinein grübelnd am Schreibtisch, und erst, wenn das letzte Scheit Holz im Kamin erlosch und die Finger in der Winterkälte erstarrten, huschte ich fröstelnd in mein Schlafzimmer.

Ich war in dieser Zeit so mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, daß ich mich automatenhaft in meiner Umgebung bewegte, bis mir eines Tages meines Vaters klanglose Stimme auffiel. „Bist du krank, Papachen?“ frug ich besorgt. Er lachte gequält: „Ich sollte es sein!“ Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück in sein Zimmer trat, lag er im Lehnstuhl, leichenblaß, mit weit aufgerissenen Augen. Ich stürzte neben ihm in die Kniee und griff nach seiner schlaff herabhängenden Hand. In dem Augenblick kam er zur Besinnung; ein Ton, der nichts menschliches an sich hatte, drang aus seiner Kehle, – er sprang auf, schlug wild aufschluchzend die Hände vors Gesicht, um in der nächsten Minute wieder zurückzusinken. Da fiel mein Blick auf einen weißen Bogen, aus einem blauen Umschlag halb herausgerissen, – ich griff danach und las mit verdunkeltem Blick nur die drei Worte: „… der Abschied bewilligt …“

„Die dreizehnte Division!“ murmelte mein Vater.


Empfohlene Zitierweise:
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/431&oldid=- (Version vom 31.7.2018)