schon Anstoß genommen hatten, stimmten ihr zu; da niemand einen Einwand erhob, schien die Angelegenheit erledigt. Beim Nachhausewege erfuhr ich erst den Grund, der meine Mutter zu ihrer Anregung bestimmt hatte. „Dein schweriner Pompadourkostüm hast du nur das eine Mal angehabt,“ sagte sie, sichtlich befriedigt, „wir sparen nun, Gott Lob, jede Neuanschaffung.“
„Mein Pompadourkostüm!“ Ich erschrak und rief heftig: „Lieber verbrenn’ ichs!“
„Du bist wohl nicht ganz bei Trost!“ antwortete Mama ärgerlich. Meine Blässe erst machte sie aufmerksam. „Ach – darum!“ sagte sie gedehnt, „solch eine Sentimentalität hätte ich dir nicht zugetraut.“ Ich schwieg.
Bei der ersten Tanzprobe jedoch brachte ich im stillen mit Hessensteins Hilfe die Jugend auf meine Seite. Die Herren erklärten, daß die Hofkostüme ihnen zu kostspielig seien, die jungen Mädchen, daß sie die langen Schleppen nicht leiden könnten. Es war eine förmliche Revolte. Syburg allein war auf Seite der älteren Mitwirkenden und der Mütter. „Ich kenne die Gründe Ihrer Frau Mutter,“ sagte er mir leise, „und ich begreife nicht, wie eine so kluge junge Dame wie Sie an diesem kindischen Tumult teilnehmen kann.“ Ich ärgerte mich über die Bevormundung und mehr noch über das gute Einvernehmen zwischen Syburg und meiner Mutter, aber die Heftigkeit meines Widerstands war gebrochen; wir wurden überstimmt.
Und der Abend kam, wo das alte Kleid vor mir lag. Ein leiser Duft von Jasmin stieg aus den Falten, und seine Bänder und Schleifen, seine grünen Blätter und roten Rosen sahen mich an, wie lauter lebendig gewordene
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/388&oldid=- (Version vom 31.7.2018)