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Geist und Herz sich abgestoßen fühlen. Und umgekehrt sind diese gefangen, wo jene beinahe Ekel empfinden. Würde ich mich des Instinktes schämen und ihn infolgedessen mit dem Feigenblatt verlogener Schwärmerei bedecken, – in welch unselige Ehen hätte ich mich schon fesseln lassen! Vielleicht ist die wahre, dauernde Liebe erst möglich unter den Gatten, die sich ganz kennen, sich ganz besitzen, und die noch dazu ein gewisser äußerer Zwang zusammenhält. Alles übrige ist Flirt – Sport, oder sonst ein Fremdwort … Wenn ich nur nicht die fatale Eigenschaft hätte, gegen alle Art bürgerlich ehrbarer, staatlich sanktionierter, zu lebenslänglichem Gebrauch auf Flaschen gezogener Gefühle einen unüberwindlichen Abscheu zu haben …“

Gegen Ende des Karnevals gab Herr von Hagen, unser Oberpräsident, – ein gescheiter, feiner, alter Herr, der einzige fast, mit dem ich eine ernstere Unterhaltung führen mochte, – ein Diner, zu dem er mich, entgegen der sonstigen Gewohnheit, mit einlud. Junge Mädchen waren ja nur zum Tanzen da; man schloß sie daher überall von den Gelegenheiten aus, wo Ansprüche an den Geist, statt an die Füße gemacht werden konnten.

„Sie sollen heute diesen Böotier bekehren,“ sagte mir unser Gastgeber lächelnd, indem er mir Herrn von Syburg, den neuen Hammer Landrat vorstellte, „er hat Ansichten über die Frauen, – na, Sie werden ja sehen!“

Ein großer schmächtiger Mann machte mir eine steife Verbeugung, und ein paar helle, weit vorstehende Augen musterten mich ernsthaft. Der erste Eindruck, den ich empfing, war fast ein feindseliger. Als wir dann aber ins Gespräch kamen, gefiel er mir. Seine Ruhe, seine

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/384&oldid=- (Version vom 31.7.2018)