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„Hm“ – machte er – „obs der gnädigen Frau Tante auch recht sein wird?!“

„Darauf dürfte es kaum ankommen, da ich sie lesen will,“ entgegnete ich scharf, geärgert über die spöttische Art seiner Antwort. Er lachte dröhnend.

„Wir haben ja, scheints, auch so’n Tropfen Rebellenblut in den Adern!“ Mit großen, ungefügen Buchstaben schrieb er mir die Titel der Bücher auf eine Ecke Zeitungspapier, zerdrückte mir mit seiner Riesenfaust fast die Hand, die ich ihm dankbar gereicht hatte, und stapfte zum Parktor hinaus.

„Wer war das?“ frug ich eine der Töchter.

„Ach – der! Den hat der Doktor neulich mal mitgebracht. Wie er heißt, habe ich nicht verstanden. Ein ungehobelter Gesell, nicht wahr?“

Ich nickte zerstreut. Noch auf dem Rückweg gab ich eine Karte an eine münchener Buchhandlung auf und sah von nun an jedem Postboten erwartungsvoll entgegen, heftige Kopfschmerzen als Vorwand meines ungewohnten häuslichen Lebens vorschützend.

Und endlich kamen die Bücher! Ich las sie nicht, – ich trank sie, wie ein Durstender in der Wüste das frische Wasser. Nicht das Kunstwerk genoß ich in ihnen, und nichts sah ich von den handelnden Menschen; mir war vielmehr, als hätte ich lange im Dunkeln erwartungsvoll vor einem dichten Vorhang gestanden, den plötzlich ein Sturmwind auseinanderriß, um mir den blendenden, kristallhellen Spiegel dahinter zu enthüllen, der scharf und klar mein eigenes Bild zurückwarf, und das der Vielen um mich her.

Worte las ich, die mich trafen wie Offenbarungen:

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/343&oldid=- (Version vom 31.7.2018)