demütig neigt und siegesbewußt aufrichtet – die mit den anderen lächelt, sich ihnen vorübergehend hingibt, nur um des einen, des Geliebten Glut zu loderndem Feuer zu entfachen.
Die „Barkarole“ beherrschte den Tanz in jenem Karneval. Ich hörte sie bis in meine Träume.
Zu einem Hofball wurde ein Menuett einstudiert, – der Tanz, in dem sich die ganze graziöse Sündhaftigkeit und künstlerisch verklärte Erotik seiner Zeit widerspiegelt. Wir trugen dazu keinen billigen Maskentand, sondern schwere Kleider von Damast, breit ausladend über den Hüften, zum Umspannen schmal in der Taille, mit langen höfischen Schleppen. Rosen und Lorbeer rankte sich auf dem meinen, die alten kostbaren Spitzen meiner Mutter garnierten den Rock, ihre Perlenschnüre schlangen sich mir um Hals und Nacken. Hoch gepudert die Haare, ein Schönpflästerchen am Mundwinkel und eins auf der Brust, – so traf ich im Vorzimmer am Abend des Festes Hellmut, meinen Herrn. Wir staunten einander an, – so hatte ich die ebenmäßige Schönheit seiner Gestalt noch nie empfunden wie jetzt, wo sie im Staatsgewand Ludwigs XV. vor mir stand. Aber sein Gesicht blieb ernst.
„Mir paßt der Narrentrödel nicht!“ sagte er, während wir uns nach Mozarts unvergänglichem Don Juan-Menuett neigten und drehten. „Ist nicht die gleißende Pracht ein Hohn auf unsere Armut?“
„Ich fühle nur, daß wir reich sind, die Reichsten der Welt!“ antwortete ich und lehnte den Kopf zurück, um über die Schulter hinweg ihn selig anzulächeln, wie die Figur des Tanzes es grade befahl.
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/297&oldid=- (Version vom 31.7.2018)